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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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hast, was du gesehen hast, und deine Tochter nichts damit zu tun hatte.«
    »Wie soll ich das denn anstellen?«
    »Wie wär’s, wenn du ihr etwas über sie selbst erzählen würdest, das du unmöglich wissen kannst?«
    »Wireman, du spinnst wohl? Ich kann so was nicht einfach durch bewusste Anstrengung bewirken!«
    »Woher weißt du das? Ich muss auflegen, amigo - dem Geräusch nach ist eben Miss Eastlakes Lunch auf dem Fußboden gelandet. Bis später!«
    »Yeah«, sagte ich. Ich wollte »Goodbye!« hinzufügen, aber er war schon fort. Ich legte auf und fragte mich, wo ich Pams Gartenhandschuhe gelassen hatte, die mit der Aufschrift HANDS OFF!. Wenn ich die fände, würde sich Wiremans Idee womöglich als doch nicht ganz so verrückt erweisen.
    Ich suchte sie im ganzen Haus, leider vergeblich. Vielleicht hatte ich sie weggeworfen, nachdem ich Freunde mit Zuwendungen gemalt hatte, aber ich konnte mich nicht daran erinnern. Das kann ich auch jetzt noch nicht. Ich weiß nur, dass ich sie nie wiedergesehen habe.
     
     
     
     
     
     
    VII Der Raum, den Elizabeth und Wireman den Porzellansalon nannten, war an diesem Nachmittag von einem trübseligen, subtropischen Winterlicht erfüllt. Der Regen war jetzt stärker, trommelte in Wellen an Mauern und Fenster, und der auffrischende Wind ließ die Palmen um den Palacio rascheln und malte hektisch bewegte Schatten auf die Mauern. Seit ich hierherkam, konnte ich erstmals keine Ordnung in den Porzellanfiguren auf dem langen Tisch erkennen; es gab kein Tableau, nur ein Durcheinander aus Personen, Tieren und Gebäuden. Ein Einhorn und einer der Mohren lagen nebeneinander neben dem umgestürzten Schulhaus. Wenn der Tisch heute eine Geschichte zu erzählen hatte, war es die eines Katastrophenfilms. Neben dem Herrenhaus à la Tara stand eine Keksdose von Sweet Owen. Wireman hatte mir erklärt, was ich zu tun hatte, falls Elizabeth danach verlangte.
    Die Lady selbst saß leicht zur Seite gesunken in ihrem Rollstuhl und betrachtete mit leerem Blick die Unordnung auf ihrem sonst so penibel aufgeräumten Spieltisch. Sie trug ein Kleid in fast genau demselben Blau wie die riesigen blauen Chuck Taylors an ihren Füßen. Durch ihre zusammengesunkene Haltung war der Rundausschnitt ihres Kleids zu einem schiefen Oval verzerrt, das einen elfenbeinweißen BH-Träger sehen ließ. Ich fragte mich unwillkürlich, wer sie an diesem Morgen angezogen hatte, sie selbst oder Wireman.
    Anfangs sprach sie vernünftig, nannte mich beim richtigen Namen und fragte nach meinem Befinden. Sie verabschiedete sich vonWireman, als er zu den Baumgartens fuhr, und bat ihn, eine Mütze aufzusetzen und einen Schirm mitzunehmen. So weit war alles in Ordnung. Aber als ich eine Viertelstunde später mit ihrem Imbiss aus der Küche kam, hatte sich etwas verändert. Sie starrte in eine Ecke, und ich hörte sie murmeln: »Geh zurück, geh zurück, Tessie, du gehörst hier nicht her. Und sorg dafür, dass der Big Boy weggeht.«
    Tessie. Diesen Namen kannte ich. Ich wendete meine Querverbindungstechnik an, suchte Assoziationen und fand die Schlagzeile SIE SIND FORT. Tessie war eine von Elizabeth’ Zwillingsschwestern gewesen. Das wusste ich von Wireman. Ich hörte ihn sagen: Damals wurde vermutet, dass sie ertrunken sind, und ein eisiger Schauder bohrte sich mir wir ein Messer in die Rippen.
    »Bringen Sie mir die«, sagte sie und zeigte auf die Keksdose. Als ich sie ihr brachte, zog sie eine in ein Taschentuch gewickelte Porzellanfigur aus der Tasche. Sie nahm den Deckel ab, bedachte mich mit einem Blick, in dem Listigkeit und Verwirrung auf kaum erträgliche Weise vermengten, und ließ sie hineinfallen. Das erzeugte ein sanftes, hohles Plong! . Sie fummelte den Deckel wieder drauf und schob meine Hand beiseite, als ich ihr helfen wollte. Dann gab sie mir die Dose.
    »Wissen Sie, was damit zu tun ist?«, fragte sie. »Hat … hat...« Ich sah, wie sie kämpfte. Das Wort war da, tanzte aber knapp außer Reichweite umher. Verspottete sie. Ich hätte es ihr sagen können, aber ich erinnerte mich daran, wie wütend ich selbst dann geworden war, und hielt den Mund. »Hat er da Ihnen gesagt, was damit zu tun ist?«
    »Ja.«
    »Worauf warten Sie dann noch? Nehmen Sie endlich das Miststück!«
    Ich trug die Dose am Tennisplatz vorbei zu dem kleinen Goldfischteich. Die Fische sprangen; sie schienen den Regen weit aufregender zu finden als ich. Genau wie Wireman gesagt hatte, lag neben der Bank ein kleines Häufchen Steine. Ich

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