Wahn - Duma Key
herausgeschossen, an dessen Stelle eine mit gestocktem Blut angefüllte Augenhöhle.
Als ich ausgesprochen hatte, herrschte langes Schweigen. Ich durchbrach es nicht. Schließlich sagte sie mit neuer, vorsichtiger Stimme: »Glaubst du das wirklich, Edgar - irgendetwas davon?«
»Wireman, der Kerl, der südlich von hier wohnt...« Ich verstummte, wurde gegen meinen Willen wütend. Und nicht etwa, weil mir die Worte fehlten. Oder zumindest nicht genau deshalb. Wollte ich ihr etwa erzählen, der Kerl von der Hazienda sei ein Gelegenheitstelepath, weshalb er mir glauben würde?
»Was ist mit dem Kerl, der südlich von dir wohnt, Edgar?« Ihre Stimme klang ruhig und sanft. Ich erkannte sie aus ungefähr dem ersten Monat nach meinem Unfall wieder. Es war ihre Edgar-ist-unzurechnungsfähig-Stimme.
»Nichts«, sagte ich. »Nicht weiter wichtig.«
»Du musst Dr. Kamen anrufen und ihm von deiner neuen Idee erzählen«, sagte sie. »Von dieser Idee, dass du ein Medium bist. Schick ihm keine E-Mail, ruf ihn an . Bitte.«
»Also gut, Pam.« Ich war sehr müde. Von frustriert und sauer ganz zu schweigen.
»Also gut was?«
»Also gut, ich habe verstanden. Du kommst laut und deutlich rüber. Missverständnisse sind ausgeschlossen. Gott bewahre! Ich wollte nur Tom Riley das Leben retten.«
Darauf wusste sie keine Antwort. Und auch sie hatte keine rationale Erklärung dafür, dass ich von Tom und ihr gewusst hatte. Deshalb beließen wir’s dabei.Als ich auflegte, dachte ich: Keine gute Tat bleibt ungestraft.
Vielleicht dachte sie das Gleiche.
VI Ich war wütend und durcheinander. Das trübe, nasskalte Wetter trug nichts dazu bei, mich aufzuheitern. Ich wollte malen und brachte nichts zustande. Ich ging nach unten, nahm einen Skizzenblock zur Hand und fand mich auf die Kritzeleien zurückgeworfen, die ich aus meinem anderen Leben vom Telefonieren kannte: Cartoonfiguren mit Segelohren. Ich wollte den Skizzenblock eben angewidert in die Ecke werfen, als das Telefon klingelte. Es war Wireman.
»Kommst du heute Nachmittag?«, fragte er.
»Klar«, sagte ich.
»Ich dachte, dass der Regen dich vielleicht...«
»Ich wollte ganz langsam mit dem Auto rüberkommen. Hier tue ich jedenfalls nichts Vernünftiges.«
»Gut. Nur mit der Vorlesestunde wird’s heute nichts. Sie ist im Nebel.«
»Schlimm?«
»Schlimmer als je zuvor. Weggetreten. Orientierungslos. Verwirrt.« Er holte tief Luft und atmete dann langsam aus. Das hörte sich an, als fahre ein Windstoß durchs Telefon. »Hör zu, Edgar, ich weiß, das ist viel verlangt, aber kann ich dich eine Weile mit ihr allein lassen? Höchstens eine Dreiviertelstunde. Die Baumgartens haben Probleme mit der Sauna - mit der verdammten Heizung -, und der Kerl, der herkommt, um sie zu reparieren, muss mir einen Notschalter zeigen, irgendwie so was. Und ich soll natürlich seinen Auftragszettel abzeichnen.«
»Kein Problem.«
»Du bist ein Prinz, und ich würde dich küssen, wenn diese mit Geschwüren bedeckten Lippen nicht wären.«
»Leck mich, Wireman.«
»Yeah, alle lieben mich, das ist mein Fluch.«
»Pam hat angerufen. Sie hat mit meinem Freund Tom Riley gesprochen.« Wenn ich so überlegte, was die beiden getrieben hatten, kam es mir seltsam vor, Tom als Freund zu bezeichnen, aber hol’s der Teufel. »Ich glaube, sie hat seinen Selbstmordplänen die Luft rausgelassen.«
»Das ist gut. Aber weshalb höre ich dann Blei in deiner Stimme?«
»Sie wollte wissen, woher ich das gewusst habe.«
»Nicht, woher du gewusst hast, dass sie mit diesem Kerl gebumst hat, sondern...«
»Wie ich seine selbstmörderische Depression aus fünfzehnhundert Meilen Entfernung diagnostiziert habe.«
»Ah! Und was hast du gesagt?«
»Da ich keinen guten Anwalt an meiner Seite hatte, musste ich bei der Wahrheit bleiben.«
»Und sie glaubt jetzt, du bist un poco loco .«
»Nein, Wireman, sie glaubt, ich bin muy loco .«
»Macht das was?«
»Nein. Aber sie wird darüber nachgrübeln - glaub mir, in dieser Disziplin gehört Pam in die US-Olympiamannschaft -, und ich fürchte, meine gute Tat könnte meiner jüngeren Tochter um die Ohren fliegen.«
»Falls deine Frau einen Sündenbock sucht.«
»Davon kann man ausgehen. Ich kenne sie.«
»Das wäre schlecht.«
»Das würde Ilses Welt stärker erschüttern, als sie es verdient. Melinda und sie haben Tom ihr Leben lang als eine Art Onkel betrachtet.«
»Dann musst du deine Frau davon überzeugen, dass du wirklich gesehen
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