Wahn - Duma Key
könnte ihn mehr verletzen als meine damalige Erklärung, wir könnten uns nicht mehr treffen.Wieder typisch Mann - und dann behauptet ihr immer, wir wären die Meister im Schuldgefühle-Erzeugen.
Ich hab gesagt, dass wir uns nicht mehr romantisch treffen könnten, hieße noch lange nicht, dass ich mir nichts mehr aus ihm mache. Dann habe ich gesagt, mehrere Leute hätten mir erzählt, er würde sich merkwürdig benehmen - gar nicht wie sonst -, und das hätte ich mit der Tatsache kombiniert, dass er seine Antidepressiva nicht mehr nimmt, und angefangen, mir Sorgen zu machen. Ich hab ihm gesagt, dass ich glaube, er will Selbstmord begehen.«
Sie machte eine kurze Pause, dann sprach sie weiter.
»Eigentlich wollte ich das nie so direkt sagen. Aber es war seltsam... als er dann reinkam, war ich mir meiner Sache fast sicher, und als er mich geküsst hat, wusste ich’s bestimmt. Seine Lippen waren kalt. Und trocken. Als würde man eine Leiche küssen.«
»Na klar«, sagte ich und versuchte, mich am rechten Arm zu kratzen.
»Sofort spannte sich sein Gesicht an, und zwar richtig. Alle Falten weg, der Mund fast verschwunden. Er wollte wissen, wer mich auf eine solche Idee gebracht hätte. Und dann, bevor ich antworten konnte, hat er gesagt, das wär Bockmist. Dieses Wort hat er tatsächlich benutzt, dabei ist es überhaupt kein Tom-Riley-Wort.«
Da hatte sie allerdings recht. Der Tom, den ich früher gekannt hatte, hätte nicht mal Bockmist gesagt, wenn er sturzbetrunken gewesen wäre.
»Ich wollte keine Namen nennen - natürlich nicht deinen, weil er mich für verrückt gehalten hätte, und nicht Illys, weil ich nicht wusste, was er ihr vielleicht antun würde, wenn...«
»Ich hab dir gesagt, dass Illy nichts damit...«
»Sei still, ich bin fast fertig. Ich hab nur gesagt, diese Leute, die über sein komisches Benehmen geredet haben, wüssten nicht mal von den Pillen, die er seit der zweiten Scheidung genommen und letztes Jahr im Mai abgesetzt hat. Er nennt sie Blödmacher-Pillen. Ich hab ihm erklärt, dass er sich täuscht, wenn er sich einbildet, alles, was mit ihm nicht stimmt, vor den Leuten geheimhalten zu können. Und dann habe ihm angedroht, wenn er sich etwas antue, würde ich seiner Mutter und seinem Bruder erzählen, dass es Selbstmord war, und das werde ihnen das Herz brechen. Das war deine Idee, Edgar, und sie hat funktioniert. Jetzt bist du hoffentlich stolz. Daraufhin hat er meine Vase zertrümmert und mich übergriffige Fotze genannt. Er war kreidebleich. Ich möchte wetten...« Sie schluckte trocken. Dieses Geräusch konnte ich über all die Meilen hinweg hören. »Ich wette, dass er seinen Abgang schon genau geplant hatte.«
»Da wette ich nicht dagegen«, sagte ich. »Was glaubst du, was er jetzt tun wird?«
»Weiß ich nicht. Ich weiß es nicht wirklich.«
»Vielleicht sollte ich ihn lieber anrufen.«
»Vielleicht solltest du das lieber nicht tun. Vielleicht würde ihm die Mitteilung, dass wir über ihn geredet haben, den Rest geben.« Leicht boshaft fügte sie hinzu: »Dann würdest du schlecht schlafen.«
Das war eine Möglichkeit, die ich nicht bedacht hatte, aber sie hatte recht. Tom und Wireman waren sich in einer Beziehung ähnlich: Beide brauchten Hilfe, aber ich konnte sie ihnen nicht aufzwingen. Mir fiel ein altes Bonmot ein, das vielleicht passend war, vielleicht nicht: Man kann eine Hure zur Kultur führen, aber sie nicht zum Denken bringen. Vielleicht wusste Wireman, wer das gesagt hatte. Und wann.
»Woher wusstest du also, dass er sich umbringen wollte?«, fragte sie. »Ich will’s wissen, und bei Gott, du wirst es mir verraten, bevor ich auflege. Ich habe meinen Teil getan, jetzt bist du dran.«
Da war sie, die zuvor nicht gestellte Frage. Letztes Mal war Pam zu sehr auf die Frage fixiert gewesen, wie ich Tom und ihr überhaupt auf die Spur gekommen war. Nun, Wireman war nicht der Einzige, der mit Redensarten um sich warf; auch mein Vater hatte ein paar gekannt. Darunter: »›Reicht eine Lüge nicht aus, muss es die Wahrheit tun.‹«
»Seit dem Unfall male ich«, sagte ich. »Das weißt du.«
»Und?«
Ich erzählte ihr von meiner Skizze, die sie mit Max aus Palm Desert und Tom Riley zeigte. Von einigen meiner Internetrecherchen in die Welt der mit Phantomgliedern zusammenhängenden Phänomene. Und davon, wie ich Tom Riley in meinem Atelier, wie ich es jetzt wohl nennen musste, oben an der Treppe stehen gesehen hatte: nur mit einer Schlafanzughose bekleidet, ein Auge
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