Walburgisöl - Oberbayern-Krimi
ganze Familie. Riesenauswahl auf zweitausend Quadratmetern. Kennen Sie unser Unternehmen denn nicht?«
Schreiber hörte sich an wie sein eigener Radiowerbespot, dachte Morgenstern und fügte schnell hinzu: »Klar kennen wir das. Ihre Prospekte liegen doch immer in der Zeitung. Meine Frau war sogar schon mal drüben bei Ihnen in Ingolstadt, wenn ich mich recht erinnere. Sie hat einen Kleiderschrank fürs Kinderzimmer gesucht.«
»Und? Sie hat doch bestimmt etwas Passendes gefunden?«, fragte Schreiber.
»Ähm, ich glaube nicht«, gestand Morgenstern kleinlaut. »War ihr ein bisschen zu teuer. Sie ist dann nach Eching zu Ikea gefahren …«
»Seit wann führen Sie denn das Geschäft schon?«, fragte Hecht.
»Seit fünfzehn Jahren. Kurz nach seinem fünfundsechzigsten Geburtstag hat mir mein Vater das Geschäft überschrieben.«
»Lebt Ihre Mutter noch?«, fragte Hecht.
Schreiber schüttelte den Kopf. »Sie ist vor drei Jahren gestorben. Seitdem versorgt sich mein Vater hier in Eichstätt allein. Er hat eine Haushaltshilfe und geht häufig in eine Wirtschaft zum Essen. Sie müssen wissen, dass er trotz des Geschäfts in Ingolstadt immer in Eichstätt gewohnt hat. Im Gegensatz zu mir. Ich bin schon sehr früh nach Ingolstadt gezogen. Meine Wohnung ist ins Möbelhaus integriert. Es hat nichts geschadet, ein bisschen Abstand zu meinem Vater zu halten.« Sie gingen weiter am Waldrand entlang. Schreiber hing seinen Gedanken nach.
Hecht hakte schließlich nach: »Wer könnte Ihren Vater so hassen, dass er ihn mit einem Gewehr erschießt? Wer weiß überhaupt, dass Ihr Vater hier oben jagt?«
»Das wissen viele, er hat das Revier seit vierzig Jahren. Alle anderen Jäger wissen das natürlich. Die Förster vom Staatswald. Und viele, viele andere.«
»Sind Sie selbst auch Jäger?«, wollte Morgenstern wissen.
»Als junger Bursche habe ich den Jagdschein gemacht. Das grüne Abitur.« Walter Schreiber lachte bitter auf. »Eine Wahnsinnsprüfung.« Dann fuhr er fort. »Mein Vater hat darauf bestanden, dass ich in seine Fußstapfen trete. Er hat mich schon als kleinen Buben zum Jägerstammtisch mitgenommen. Er wollte, dass ich ganz genauso werde wie er. Anfangs bin ich noch mit ihm auf die Jagd gegangen, aber ich konnte mich nie richtig dafür begeistern, und so habe ich es bald sein lassen. Mein Vater war enttäuscht von mir. Wie so oft.« Er sah Morgenstern prüfend an. »Aber was quatsche ich da eigentlich? Das geht Sie alles überhaupt nichts an.«
»Aber Sie könnten jederzeit auf die Jagd gehen?«, beharrte Hecht.
»Theoretisch ja, aber ich tue es nicht. Und das wird sich auch nicht ändern. Jetzt erst recht nicht. Mich bringt keiner mehr auf einen Hochsitz.«
»Nehmen wir einmal an, Ihr Vater ist von jemandem gezielt erschossen worden«, sagte Morgenstern. »Dann muss dieser Jemand ein sehr guter Schütze sein.« Er dachte kurz an seine eigene klägliche Vorstellung an der »Hubertus-Halle« des Eichstätter Volksfestes. »Der Täter gab wahrscheinlich nur einen einzigen Schuss ab – wenn er Ihren Vater verfehlt hätte, wäre der sofort geflohen und der Mörder hätte ihn nur noch schwerlich von vorn treffen können, sondern eher von hinten.«
Hecht fing leise, fast unhörbar, zu summen an. Morgenstern erkannte die Melodie sofort: das Jennerweinlied. »Es war ein Schütz, in seinen schönsten Jahren, der wurde weggeputzt von dieser Erd …«
Morgenstern schüttelte unwillkürlich den Kopf. Der Wildschütz Jennerwein war ein Wilderer aus den bayerischen Bergen, der von einem Jäger von hinten erschossen worden war. Doch das Lied passte überhaupt nicht zu ihrem Jäger, der auf seinem Hochstand niedergestreckt worden war. Gemeinsam war den beiden Fällen nur die Heimtücke. Morgenstern kam ins Grübeln: In den riesigen Jurawäldern rund um Eichstätt gab es zerklüftete Felswände, schmale Täler, steile Hänge, fast wie in den Alpen.
»Sagen Sie mal, Herr Schreiber: Gibt es hier in der Region eigentlich …«, er zögerte kurz, weil er fürchtete, sich lächerlich zu machen, »gibt es im Altmühltal Wilderer?« Umso mehr überraschte ihn Schreibers Reaktion.
»Wilderer?«, sagte Schreiber. »Haben wir immer wieder. Aber zum Glück nicht oft.«
»Das ist ja spannend«, sagte Morgenstern erfreut. »So richtige Wildschützen mit geschwärztem Gesicht und Hut und Rucksack?«
»Was weiß ich?«, gab Schreiber zurück. »Es wird ja nie einer erwischt. Aber man findet immer wieder ein angeschossenes Reh, das
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