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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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überrascht, die tief über den Wäldern flogen wie müde Wanderer, die spät von südlichen Seen eintrafen und sich endlich ungehindert ihren Klagen und gegenseitigen Tröstungen überlassen durften. Da ich vor der Tür stand, hörte ich das Rauschen ihrer Flügel; als sie aber auf mein Haus zukamen und plötzlich mein Licht erblickten, verstummten sie und schwenkten zum See ab, auf dem sie sich niederließen. Ich aber ging ins Haus, schloß die Tür und schlief meine erste Frühlingsnacht im Wald.
    Am Morgen beobachtete ich von meiner Tür aus die Wildgänse durch den Nebel. Sie segelten mitten auf dem See etwa eine Viertelmeile entfernt und waren so zahlreich und lärmend, daß der Waldensee wie ein künstlicher, eigens zu ihrem Vergnügen
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    angelegter Teich wirkte. Als ich aber ans Ufer kam, erhoben sie sich auf das Zeichen ihres Anführers, ordneten sich mit lautem Flügelschlagen zum Zug und kreisten - neunundzwanzig an der Zahl - über meinem Kopf, um dann unter den regelmäßigen Zurufen ihres Anführers Kurs auf Kanada zu nehmen, in der Hoffnung, in schlammigeren Teichen ein Frühstück zu finden.
    Gleichzeitig flog auch ein Schwärm Wildenten auf, der
    unmittelbar hinter seinen lärmenden Vettern die Richtung nach Norden einschlug.
    Eine Woche lang hörte ich täglich im Morgennebel mit
    flatternden Flügeln eine einzige Gans über der Lichtung kreisen, die auf der Suche nach ihren Gefährten den Wald durchflog und ihn mit ungewöhnlichem Leben und Lärm erfüllte.
    Im April ließen sich die Tauben wieder sehen, die rasch und in kleinen Schwärmen angeflogen kamen, und pünktlich hörte ich auch wieder die Schwalben über meiner Lichtung zwitschern.
    Unser Stadtgebiet schien mir nicht so reich an diesen Sängern zu sein, daß es mir einige hätte überlassen können, daher bildete ich mir ein, sie gehörten jenem alten Vogelgeschlecht an, das hier in hohlen Bäumen nistete, bevor die Weißen ins Land kamen. Fast in jedem Klima gehören Schildkröte und Frosch zu den Vorboten und Herolden dieser Jahreszeit. Die Vögel singen und fliegen mit glänzendem Gefieder umher, alles keimt und blüht, und der Wind bläst, um die leichte
    Schwa nkung der Pole auszugleichen und das Gleichgewicht der Natur zu erhalten.
    Wie jede Jahreszeit uns als die beste erscheint, wenn sie kommt, so mutet uns die Ankunft des Frühlings wie die
    Schöpfung des Kosmos aus dem Chaos an und die
    Verwirklichung des Goldenen Zeitalters:
    »Eurus ad Auroram, Nabathacaque regna recessit,
    Persidaque, et radiis juga subdita matutinis.
    Eurus entwich zu Aurora, zur nabathäischen Herrschaft, Und zu dem Persergebiet, und den Höhen am Lichte des Morgens.
    Und es erhob sich der Mensch: ob ihn aus göttlichem
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    Samen
    Schuf der Vater der Dinge als Quell einer edleren
    Schöpfung,
    Oder ob frisch die Erde, die jüngst vom erhabenen Äther Los sich wand, noch Samen enthielt des befreundeten Himmels.»
    Ein einziger sanfter Frühlingsregen, und das Gras ist um viele Schattierungen grüner. So erhellen sich auch unsere
    Aussichten unter dem Einfluß besserer Gedanken. Wir wären glücklich, wenn wir stets in der Gegenwart lebten und jedes Ereignis, das an uns herantritt, zu nutzen wüßten wie das Gras, das den Einfluß des winzigsten Tautropfens verrät, der darauf niederfällt; wenn wir unsere Zeit nicht damit verschwendeten, Versäumtes nachzuholen, was wir als die Erfüllung unserer Pflicht bezeichnen. Wir stecken noch im Winter, während es bereits Frühling ist. An einem schönen Frühlingsmorgen sind dem Menschen alle Sünden vergeben. Er ist ein Ruhetag alles Bösen. Solange eine solche Sonne am Himmel steht, kann der ärgste Sünder noch umkehren. Unsere eigene
    wiedergewonnene Unschuld läßt uns die Unschuld unserer
    Nächsten erkennen. Noch gestern hattest du vielleicht deinen Nachbarn für einen Dieb, Trunkenbold oder Wüstling gehalten, hattest nur Mitleid oder Verachtung für ihn gefühlt und verzweifeltest an der Welt; doch wenn du ihn an diesem lichten und warmen Frühlingsmorgen, an dem die Welt wie neu
    erschaffen ist, bei einer ruhigen Arbeit antriffst und siehst, wie sich seine erschöpften, schlaffen Adern in stiller Freude dehnen und den neuen Tag begrüßen, wie er mit Kindesunschuld die heilende Wirkung des Frühlings empfindet, sind alle seine Fehler vergessen. Es ist nicht nur eine Atmosphäre guten Willens um ihn, auch eine Ahnung von Heiligkeit ringt, blind und erfolglos vielleicht, wie ein

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