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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry David Thoreau
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großen
    Familien, wieviel arme Kinder ich unterstützt hätte. Daher bitte ich jene Leser, die für meine Person kein so großes Interesse haben, zu verzeihen, wenn ich einige der Fragen in diesem Buch beantworten möchte. In den meisten Büchern wird die erste Person, das »Ich«, vermieden; in diesem wird es
    beibehalten. Das ist hinsichtlich Selbstgefälligkeit der Hauptunterschied. Für gewöhnlich denken wir nicht daran, daß es schließlich immer die erste Person ist, die redet. Ich würde nicht so viel von mir selbst reden, wenn ich jemand anderen so gut kennen würde wie mich. So aber muß ich mich auf dieses Thema beschränken, da meine Erfahrungen leider nicht weiter reichen. Ich für meinen Teil verlange überhaupt von jedem Schriftsteller, daß er einfach und aufrichtig von seinem eigenen Leben erzähle, und nicht nur davon, was er über das Leben anderer gehört hat. Etwa so, wie er Verwandten aus einem fernen Land von sich berichten würde; denn wenn er redlich gelebt hat, muß es in einem mir fernen Land gewesen sein.
    Vielleicht werden diese Zeilen vor allem arme Studenten
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    ansprechen. Die übrigen meiner Leser aber werden daraus entnehmen, was ihnen brauchbar erscheint. Wer immer in
    diesen Rock hineinschlüpft, wird, so hoffe ich, die Nähte dabei nicht überdehnen, denn wem er paßt, dem mag er gute Dienste leisten.
    Noch etwas liegt mir am Herzen, das nicht so sehr die
    Chinesen oder die Bewohner von Hawaii angeht, als vielmehr den Neuengländer, der diese Seiten liest; etwas über seine Lage, die Verhältnisse hier in dieser Welt, in dieser Gegend; wie sie sind, und ob es notwendig ist, daß sie so schlecht sind, oder ob sie sich nicht genausogut verbessern ließen? Ich bin in Concord viel herumgekommen, und überall, in den Läden, in den Büros, auf den Feldern, schienen mir die Einwohner auf tausenderlei sonderbare Art Buße zu tun. Alles, was ich je von Brahmanen hörte, ob sie nun zwischen vier Feuern sitzen und in die Sonne starren oder mit dem Kopf nach unten über
    Flammen hängen; ob sie über die Schultern in den Himmel schauen, »bis es ihnen unmöglich ist, ihre natürliche Haltung wieder einzunehmen, während durch ihren verdrehten Hals nur noch Flüssiges in den Magen gelangen kann«, oder aber fürs Leben angekettet am Fuße eines Baumes hausen; ob sie wie Raupen mit dem Bauch am Boden kriechen, um die Breite
    weiter Königreiche auszumessen, oder auf einem Bein auf einer Säule stehen - keine all dieser Bußformen ist
    unbegreiflicher und erstaunlicher als die Szenen, die ich täglich vor Augen habe. Ja, selbst die zwölf Arbeiten des Herkules erscheinen mir eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Mühen, die meine Nachbarn auf sich nehmen; denn es waren nur zwölf, und sie nahmen einmal ein Ende, während ich noch nie sah, daß einer dieser Männer ein Ungeheuer besiegt oder eine Arbeit bewältigt hätte. Sie haben keinen Jolaos, der ihnen mit glühenden Eisen die Hydraköpfe am Stumpf abbrennt, sondern kaum ist der eine vernichtet, wachsen zwei neue nach.
    Ich kenne unter meinen Landsleuten junge Männer, die das Unglück hatten, eine Farm zu erben - Häuser, Scheunen, Vieh und die dazugehörigen Arbeitsgeräte, denn solche Dinge
    werden leichter erworben, als man sie wieder los ist. Es wäre
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    für sie besser gewesen, sie wären in der freien Natur geboren und von einer Wölfin gesäugt worden, dann hätten sie mit klarerem Blick erkannt, wo das wahre Feld ihrer Tätigkeit liegt.
    Wer hat sie denn zu Sklaven des Bodens gemacht? Warum
    müssen sie sich von ihren sechzig Morgen Land ernähren, wo der Mensch doch nur dazu verurteilt ist, sein eigenes Häufchen Staub zu schlucken? Warum müssen sie, kaum zur Welt
    gekommen, damit beginnen, an ihrem Grab zu schaufeln, wo sie doch nichts als ein Menschenleben vor sich haben, um so gut es geht, mit allem fertig zu werden ? Wie vielen armen unsterblichen Seelen bin ich nicht auf der Straße des Lebens begegnet, die sich keuchend und stöhnend unter ihrer Last hinschleppten, eine Scheune von fünfundsiebzig mal vierzig Fuß vor sich herschiebend, deren Augiasställe nie zu reinigen waren; dazu noch hundert Morgen Land bestellen, mähen,
    weiden und abholzen, wo jeder andere, der nicht mit einem so unnötigen Erbe belastet ist, genug damit zu tun hat, seine paar Kubikfuß Fleisch im Zaum zu halten und zu veredeln.
    Aber des Menschen Mühen beruht auf einem Irrtum. Das
    meiste von ihm ist bald als Dünger unter die Erde

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