Walküre
betrachtete das blutbefleckte Taschentuch.
»Ab und an.« Er nickte, und die Furcht vor dem Schmerz brannte in seinen Augen. »Man hat sämtliche Akten vernichtet. Ich bin der Einzige, der Ihre wahre Identität kennt.« Er lächelte – nicht arrogant, sondern nur traurig, fast wie ein Kind. »Mir war klar, dass Sie kommen und mich finden würden. Ich möchte nicht nach Atem ringend sterben. Der Schmerz und die Furcht sollen enden. Ich will keine Angst mehr haben.«
Sylvie strich ihm sanft eine Haarsträhne aus der feuchten Stirn. Sie neigte den Kopf und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich weiß, Helmut. Ich weiß ... Es war schön, dass du mich Liane genannt hast. Das hat seit Jahren niemand getan. Und es wird nie wieder geschehen. Hab Dank dafür, Helmut.«
Ihre Stimme war nicht bedrohlich, sondern besänftigend, und Kittel spürte, wie sich etwas von unten in seine Brust bohrte. Plötzlich war er atemlos wie nie zuvor, doch er empfand kaum Schmerz. Überrascht, aber ohne Furcht schaute er in ihre Augen, dann zeigte sein Gesicht eine Art Dankbarkeit.
»So ist es besser, Helmut.« Sie zog die lange Nadel behutsam wieder unter seinem Brustkorb hervor, und sein Herz barst. »Keine Schmerzen mehr. Keine Nächte mehr, in denen du von Husten, Schweiß und Angst gequält wirst. Ich habe dich für immer vom Schmerz befreit.«
Sylvie Achtenhagen überzeugte sich, dass niemand in der Nähe war, stand rasch auf und schritt zum Parkausgang. Hinter ihr blieb ein dünner Mann mittleren Alters auf der Bank sitzen und starrte unverwandt an den blattlosen Bäumen vorbei auf die Doppeltürme der Martinikirche.
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