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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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verspätet. Sehr groß, über einsachtzig, dunkelbraunes gelocktes Haar fast bis auf die Schultern. Grübchen im Kinn. Er sah aus wie ein griechischer Gott im grauen Nadelstreifenanzug.
    »Also reden Sie, Wetzon«, hatte er gedröhnt. »Was haben Sie zu erzählen?«
    Sie lächelte, als ihr einfiel, wie die Leute sie damals angestarrt hatten.
    Smith knallte den Hörer auf.
    »Neue Ausreden?« fragte Wetzon.
    »Der Scheck ist unterwegs.« Smith drehte sich um und lächelte schief. »Ich glaube, Frank hat ein Problem. Alkohol oder Drogen. Ich weiß nicht, was, aber einmal hat er tiefe Depressionen, und dann ist er wieder high. Manchmal redet er sogar sinnloses Zeug daher.« Sie schüttelte den Kopf. Es war allgemein bekannt, daß Drogen in der Wall Street grassierten.
    »Hör zu«, begann Wetzon. »Bei meinem letzten Gespräch mit Roger sagte er, daß es dort nicht so glatt läuft, daß Frank ihm eine eigene Verkaufsassistentin und einen Kundenwerber versprochen hat, und er bekommt weder das eine noch das andere, außerdem hapert es derart bei der Organisation, daß er anscheinend nicht klarkommt. Er weiß nicht einmal, mit wem er auf den verschiedenen Ebenen verhandeln soll. Was machen wir, wenn er nicht bleibt und sie uns immer noch nicht bezahlt haben?«
    »Wir verklagen sie.« Smith grinste.
    »Oh, nicht schon wieder«, stöhnte Wetzon.
    Sie hatten mit ihren Prozessen unglaublich viel Glück gehabt, und die Einigungen waren immer mit Gerichtskosten verbunden, aber Smith hatte eine Vorliebe fürs Prozessieren, die Wetzon nicht geheuer war. Smith konnte hervorragend verhandeln, und sie hatten immer gewonnen. Sie waren so erfolgreich gewesen, daß ihre Auftraggeber jetzt rechtzeitig zahlten, und von denen, die wegen Nichtzahlung verklagt wurden, nahmen sie keine Aufträge mehr an. Der einzige Haken war, daß Prozesse sich endlos hinzogen und Leon und Smith die juristischen Geplänkel anscheinend zu sehr genossen. Doch Leon, ihr Anwalt, wurde immer bezahlt, so oder so, warum sollte er es also nicht genießen? Falls sie das Geld bei Boyd & Boyd und Frank Farnham einklagen müßten, könnte es ein ganzes Jahr dauern. Ihr Honorar betrug zwanzigtausend Dollar, und sie würden sich wahrscheinlich darunter einigen müssen.
    »Wann haben wir morgen unser erstes Gespräch?« fragte Smith Harold, der mit vollen Backen an einem Chipwich kaute.
    »Mmmf, neun Uhr«, murmelte er, »mit einem Bailey Balaban, frisch von der Universität Boston.« In seinem Bart hingen Krümel von seinem Chipwich.
    »Irgendwelche Makler heute nachmittag?« wollte Smith von Wetzon wissen.
    »Ja, Barry Stark.« Smith murrte laut. »Nicht schon wieder.«
    »Ich konnte nicht nein sagen, Smith. Er hat sich wirklich schlimm angehört.«
    »Hat er wieder eine kleine alte Frau um sämtliche Ersparnisse gebracht, oder haben sie ihn endlich wegen Drogenhandel geschnappt? Wetzon, warum läßt... «
    »Ich weiß, ich weiß... warum lasse ich mich ausnutzen«, beendete Wetzon den Satz. »Ich kann eben nichts dagegen machen. Ich wollte eigentlich in meinen Tanzkurs gehen, also lasse ich nichts Wichtiges ausfallen, und wenn er diesmal wirklich in der Klemme ist?«
    »Ja, was dann? Was kannst du überhaupt für ihn tun?«
    »Und Barry hat noch nie eine alte Frau übers Ohr gehauen«, fügte Wetzon hinzu. »Das war sein Freund, Georgie Travers.«
    »Na und? Das ändert auch nichts. Die sind alle gleich.«

Z wanzig Minuten später zog Wetzon die schwere Eichentür ihres Büros hinter sich zu und hörte das Schloß einschnappen. Sie ging die vier Ziegelsteinstufen zum Trottoir hinauf, eine zierliche Frau mit dem graziösen Gang einer Tänzerin. Das zusammengebundene aschblonde Haar, das spitze Kinn, die gerade Nase und der lange, schmale Hals hätten den Eindruck von Kälte vermitteln können, aber das war nicht der Fall. Sie hatte funkelnde graue Augen und ein breites, gutgelauntes Lächeln. Zum dunkelgrauen zweireihigen Kostüm trug sie eine leuchtend rote Bluse und einen locker umgelegten Kaschmirschal in einem helleren Grau. Die Aufmachung war schick und wirkte selbstverständlich. Sie hatte eine kleine Handtasche bei sich. Ihre Aktentasche hatte sie im Büro gelassen, weil dieses Treffen mit Barry nicht geschäftlich war.
    Es war einer jener undefinierbaren Tage Ende März, noch nicht richtig Frühling und nicht mehr ganz Winter. Sie ging an den zwei Sandsteinhäusern in der 49. Street zwischen Second und Third vorbei und hoffte, die Hepburn, die in dem einen

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