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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Bedürfnis nach Schlaf hatte er. Es wäre möglich gewesen, daß er ohne Widerstand hinstarb. Und dann regte sich eine Bewegung in ihm. Er seufzte, und die Erinnerung trat in ihm auf: »Gebt Raum, gebt Raum.« Sanftheit und Stille, worin er Platz nehmen wollte. Der Balken, an dem er sich entlang tastete. Oft blickte etwas in ihm auf Wallensteins Sarg. Er fühlte sich bewogen, viel hinter dem Sarg herzugehen, Hände zu drücken, die gebrochenen Beine auf Watte zu schienen.
    Die Fechtbrüder und der Zahnbrecher hatten Gefallen an ihm, nahmen ihn und den Müller auf ihrem Wagen mit; er sollte für sie ausrufen. Sie gerieten in Streit mit dem Müller, als der sich daran machte, in ihrer Weise sie zu erregen. Als Weinbuch in seinem Zorn ihnen einmal zwei gute Degen mit einem Stein zerbrach, prügelten sie ihn. Der Müller entwischte; den andern, der mit ihm wollte, ließen sie nicht fort. In die Zone der Heere reiste die Bande, um besseren Gewinn zu finden. Als die ersten Kompagnien in der Gegend von Joachimstal an ihnen passierten, bettelte Grimmer, sie möchten ihm das schenken, den Anblick der Söldner, er wolle fort von hier. Jubelnd kam einmal der dicke Quacksalber an: er habe den andern mit dem braunen Bart, den Kaspar, den Müller, gesehen. Wo, wolle er nicht sagen: hoch in der Luft, an einem Soldatengalgen hänge er; hätte wohl das Maul sehr voll genommen. Grimmer flammte: »Führt mich hinein. Führt mich hin. Ich will ihnen alles sagen. Er ist einen guten Tod gestorben.« Und er schrie über Weinbuch und weinte: »Laßt mich fort! Helft mir doch.« Sie lachten: »Gewalt! Gewalt! Lauf mit deinen Krücken. Wir werden einen Hund gegen dich jagen, daß er dich umrennt.« Er hob die Hände und zitterte: »Ihr könnt nichts für eure Wildheit.«
    In einem Birkenwald, der eben grünte, lag an dem Platze, wo sie ihr Lager aufschlagen wollten, ein brauner Frauenschuh, und nicht weit kam ein ganz feines Winseln zwischen den Stämmen her. Sie gingen dem Winseln nach. Da lag entblößt und zerhackt ein zusammengebogener Frauenkörper und auf der Erde hinter seinem Rücken streckte ein verpacktes kleines Kind die weißen Beinchen in die Luft, schlug mit den blauen Händchen, winselte. Mit einem markerschütternden Geheul, als hätte er die Sinne verloren, warf sich Grimmer an die Erde, kroch auf den Knien vor die Frau, deren eisiges Gesicht er bestrich. Sie rissen ihn von der Zerhackten los; er ließ den Stock liegen, tastete nach dem Kind, hielt es fest. Sie vermochten nicht, es ihm aus dem Mantel herauszuziehen; er warf sich, als sie damit begannen, auf das Gesicht und deckte das Kind. Sie bewogen ihn dann, aufzustehen; das Wesen schrie in seinem Mantel; er stand wie ein Bock; sie mußten ihm das Geschöpf lassen; grausig brüllte er, er gäbe es nicht ab.
    Die Bande stahl Frauen und erpreßte mit ihnen Geld, verkaufte unerlaubte Hartmacherbriefe. Sie ließen den Grimmer mit seinem Kind nicht los, weil er schon zuviel von ihnen wußte. Er besänftigte sich, folgte, war gut zu ihnen. Aber es war etwas Gespanntes in ihm, wovor sie Furcht hatten. Das Kindchen gab er einer Nonne ab. Er bohrte, bohrte, sie sollten ihn laufen lassen. Welches Recht sie hätten, ihn zu halten. Er drohte; sie lachten. Verzweifelt saß er stundenlang in einer Wagenecke, rang die Hände. Sie ließen ihn im Stroh gackern. In ein rasendes Gezänk ließ er sich mit ihnen ein; da er ihnen rachsüchtig schien, nahmen sie ihn nicht mehr auf die Märkte, in die Dörfer hinein mit; sie wollten ihn schon kirre kriegen. Er hatte in dieser Zeit die Aufgabe, mit einigen Roßbuben auf die Wagen zu achten. Als die Buben berichteten, daß der Grimmer, statt sich um die Wagen zu kümmern, mit vorbeiziehenden Wallonen lange heimliche Gespräche führte, daß auch einzelne Wallonen sich schon mehrfach in der Nähe des Quartiers hätten sehen lassen, beschlossen sie, sich seiner zu entledigen; sie waren der Meinung, daß Grimmer an Flucht oder Verrat dachte.
    Sie kamen bei Kaaden vorbei, wo ihnen das Kind eines Ratsherrn in die Hände fiel. Die aus der Stadt aber hatten einige Reiter, die sich hinter ihnen hermachten. In ihrer Angst ließen sie das Kind auf der Landstraße zurück. Als sich die Reiter damit noch nicht zufriedengaben und nach ihnen suchten, spannten sie die Pferde von den Wagen, ritten davon mit allem, was sie schleppen konnten; den Grimmer ließen sie bei den Wagen. Er wurde von den Reitern gefaßt, nach Kaaden gebracht und in der Stadtmauer

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