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Wandel

Wandel

Titel: Wandel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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wärmte beide auf und aß sie im Stehen. Beim Trinken hatte ich die Wahl zwischen Weißwein, lauwarmer Cola oder Orangensaft, und da der O-Saft kurz vorm Umkippen stand, entschied ich mich für ihn. Heiße Suppe und kalter Saft passten besser zusammen, als ich es je für möglich gehalten hätte. Ich legte mich in eine der Kojen, dachte, ich würde gleich einschlafen – und konnte nicht.
    Ich lag da und spürte, wie die sanften Bewegungen des großen Sees das Boot schaukelten. Wasser schlug sanft und gurgelnd gegen den Rumpf. Sonnenlicht wärmte die Kajüte. Ich war sauber, trug eine alte Trainingshose und lag in einem Bett, das überraschend bequem war, doch ich konnte nicht schlafen.
    Die alte Uhr an der Wand – Entschuldigung: Schottwand – tickte in einem steten, einschläfernden Rhythmus.
    Aber ich konnte nicht schlafen.
    Hühnersuppe und Chili. Was für eine Henkersmahlzeit.
    Möglicherweise hätte ich den Taxifahrer bitten sollen, kurz bei Burger King zu halten.
    Als die Mittagsstunde näher rückte, setzte ich mich auf und starrte die Rüstung meiner Patin an, die Kugeln, Blitze und gewiss noch Schlimmeres abgehalten hatte. An den Seiten und auf dem Rücken hatte ich diverse Schrammen entdeckt, konnte mich aber nicht mehr daran erinnern, von welchem Angriff sie jeweils stammen mochten. Offensichtlich hatte die Rüstung alles Mögliche abgehalten, was ich gar nicht mitbekommen hatte, und ich wusste, ohne dieses lächerlich überdekorierte Teil wäre ich längst nicht mehr am Leben.
    Die kleine Uhr schlug die Mittagsstunde – beim zwölften Schlag schmolz die Rüstung einfach dahin und wurde wieder zu meinem alten Ledermantel. Den Susan mir vor langer, langer Zeit einmal gegeben hatte, als eine Schlacht bevorstand.
    Ich nahm ihn. Im Leder klafften Wunden. Ganze Flecken waren weggebrannt, Kugeln hatten deutlich erkennbare Löcher gerissen. Eigentlich, musste ich mir eingestehen, gab es mehr Löcher als Mantel, und selbst das Leder, das überlebt hatte, war brüchig und steif geworden und blätterte ab. Ich konnte praktisch zusehen, wie der Mantel auseinanderfiel.
    Als Cinderellas Kürbis keine Kutsche mehr sein musste, hatte wohl niemand versucht, ihn zum Kuchenbacken weiterzuverwenden. Obwohl sie in einigen Versionen des Märchens statt im Kürbis in einer Zwiebel fuhr. Vielleicht hätte man aus der später noch Suppe kochen können.
    Ich ließ den Mantel in den See fallen und sah zu, wie er versank. Dann wusch ich mir im Bad das Gesicht und blinzelte in den kleinen Spiegel überm Waschbecken. Auf meiner nackten Brust schimmerte das Amulett meiner Mutter mit dem Juwel.
    Noch drei Tage zuvor hatte ich ein ganz normales Leben geführt. Jetzt war mir außer diesem Kleinod aus Silber und Rubin so gut wie nichts mehr geblieben. Kein Büro. Keine Wohnung. Kein Wagen. Kein Hund, keine Katze. Himmel, wo Mister nach dem Feuer wohl geblieben sein mochte? Keine Integrität, keine Freiheit, und Freunde würde ich sicher keine mehr haben, wenn Mab erst einmal mit mir durch war.
    Was war mir geblieben?
    Ein kleines Stück Silber ein winziger Stein – und Maggie.
    Ich setzte mich hin und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
    ***
    Schritte näherten sich über den Steg, kamen aufs Boot zu. Einen Moment später klopfte Murphy an der Kajütentür, um gleich darauf einzutreten.
    Scheinbar war sie direkt von der Kirche aus gekommen: Sie trug immer noch ihre ausgeblichene Kampfausrüstung und sah aus, als hätte auch sie nicht geschlafen. Bei meinem Anblick atmete sie langsam aus. „Das hatte ich mir gedacht.“
    „Murph?“, sagte ich. „Vielleicht solltest du lieber nicht hier sein.“
    „Ich musste dich sehen. Du bist einfach so verschwunden.“
    „Wolltest du tschüs sagen?“
    „Lass den Scheiß. Von Wollen kann keine Rede sein.“ Sie räusperte sich. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. So habe ich dich noch nie erlebt.“
    „Ich habe auch noch nie zuvor die Mutter meines Kindes getötet“, sagte ich tonlos. „Das ändert einen wohl zwangsläufig.“
    Sie wandte den Blick ab. „Ich wollte nur sehen, ob du dich nicht irgendwie bestrafst. Dass du nichts Dramatisches anstellst.“
    „Dramatisch? Ich doch nicht!“
    „Verdammt, Dresden!“
    Ich spreizte die Hände. „Was willst du von mir, Murphy? Es ist nichts mehr übrig.“
    Sie setzte sich neben mich. Ihr Blick ruhte unverwandt auf meinem Gesicht, auf meinen Schultern, ihm entging keine der Narben dort. „Ich weiß, wie dir zumute ist“, sagte sie.

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