Wandel
würde die hier es auch nicht werden … aber eigentlich fühlte es sich doch gut an.
Ich nahm mir vierzig Minuten, um mich zu rasieren und meine hübschesten Klamotten anzuziehen, was in diesem Fall auf Jeans, ein T-Shirt und meine alte, gefütterte Jeansjacke hinauslief. Da es im Badezimmer kein Rasierwasser gab, musste ich mir mit Seife und Deo behelfen. Ich verbat mir streng, groß nachzudenken – wenn einem im Traum klar wurde, dass man träumte, war mit einem Puff alles vorbei.
Das sollte mir nicht passieren.
Als ich sauber und angezogen war, verbrachte ich ein paar Minuten einfach nur damit zu atmen. Dem Wasser um mich herum zuzuhören. Dem Ticken der Uhr. Der friedlichen Stille. Das tröstende Gefühl der Einsamkeit um mich herum in mich einsinken zu lassen.
Dann sagte ich: „Scheiß auf diesen Zen-Kram. Vielleicht kommt sie früher.“ Ich stand auf, um zu gehen.
Ich trat aus der Kajüte in die späte Nachmittagssonne, zitternd vor freudiger Erregung, müde, von schlimmen Bildern gequält – und voller Hoffnung. Ich schirmte meine Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und betrachtete die Skyline meiner Stadt.
Als etwas hinter mir in die Kajütenwand schlug, zuckte ich zusammen, rutschte mit dem rechten Fuß aus und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Das Geräusch war ein scharfer Knall gewesen, als hätte jemand einen Stein gegen einen Holzzaun geworfen. Als ich mich umdrehte, fühlte sich die Bewegung aus irgendeinem Grund langsam an. Ich betrachtete die Kajütenwand der Wasserkäfer, oder die Schottenwand oder wie man das Ding nannte, und dachte: „Wer hat denn hier auf meinem Boot mit roter Farbe rumgeschmiert?“
Da gab mein linkes Bein unter mir nach.
Ich sah an mir runter, entdeckte das Loch in meinem Hemd, gleich links neben dem Brustbein.
Ich dachte: „Warum habe ich mir das Hemd mit dem Loch angezogen?“
Dann fiel ich von der Reling und in das eiskalte Wasser des Lake Michigan.
Es tat weh, aber nur eine Sekunde lang. Danach fühlte sich mein ganzer Körper wunderbar warm an und so wohlig müde, und der Schlaf, der mich bislang gemieden hatte, schien endlich, endlich in greifbarer Nähe.
Es wurde dunkel.
Es wurde still.
Mir wurde klar, dass ich ganz allein war.
„Stirb allein!“, zischte die bittere, hasserfüllte Stimme eines alten Mannes.
„Pst, ganz ruhig“, flüsterte eine Frauenstimme. Sie klang vertraut.
Ich tat nichts, aber als vor mir ein Licht auftauchte, erkannte ich, dass ich mich durch einen Tunnel direkt auf dieses Licht zubewegte. Vielleicht bewegte sich das Licht auch auf mich zu. Jedenfalls schien es mir wunderbar zu sein, dieses Licht, etwas, wo ich unbedingt hinkommen wollte.
Bis ich eine Stimme hörte.
„Typisch“, dachte ich. „Für dich wird es nie einfacher, auch wenn du tot bist!“
Inzwischen näherte sich das Licht mit rasender Geschwindigkeit, und ich hörte ganz deutlich das Signalhorn und die Maschine eines herandonnernden Zuges.
Weitere Kostenlose Bücher