Schmetterlinge im Gepaeck
Kapitel eins
I c h habe drei schlichte Wünsche. Die sind wirklich nicht zu viel verlangt.
Der erste ist, angezogen wie Marie Antoinette zum Winterball zu gehen. Ich will eine so kunstvolle Perücke, dass ein Kanarienvogel darin wohnen könnte, und ein richtig breites Kleid, mit dem ich den Ballsaal nur durch eine Flügeltür betreten kann. Wenn ich ankomme, werde ich aber meine Röcke ganz hochhalten, damit jeder die Springerstiefel mit Plateau sehen kann und weiÃ, dass ich unter den ganzen Rüschen eine harte Punkfrau bin.
Der zweite ist, dass meine Eltern meinen neuen Freund akzeptieren. Sie hassen ihn. Sie hassen seine blondierten Haare mit den ständigen dunklen Ansätzen und seine Arme, die von oben bis unten mit Spinnweben- und Stern-Tattoos bedeckt sind. Sie behaupten, er habe eine herablassende Art und würd e nicht lächeln, sondern selbstgefällig grinsen. Sie haben es satt, dass seine Musik aus meinem Zimmer dröhnt, und sie sind es leid, darüber zu diskutieren, wann ich zu Hause sein soll, wenn ich zu den Konzerten seiner Band gehe.
Und mein dritter Wunsch?
Die Bell-Zwillinge niemals wiederzusehen. Nie nie nie.
Aber ich würde viel lieber über meinen Freund sprechen. Mir ist schon klar, dass es nicht cool ist, sich zu wünschen, dass die Eltern den Freund gut finden. Aber mein Leben wäre so viel einfacher, wenn sie sich damit abfinden würden, dass Max nun mal derjenige welche ist. Keine peinlichen Einschränkungen mehr, keine stündlichen Kontrollanrufe bei Verabredungen und â das Beste von allem â keine Sonntagsbrunchs.
Keine Morgen wie dieser.
»Noch eine Waffel, Max?«
Mein Vater Nathan schiebt den goldenen Stapel über unseren antiken Bauerntisch zu meinem Freund hinüber. In Wirklichkeit ist es keine Frage, sondern ein Befehl, damit meine Eltern ihr Verhör fortsetzen können, bevor wir gehen. Unsere Belohnung dafür, dass wir das über uns ergehen lassen? Eine entspanntere Sonntagnachmittags-Verabredung mit weniger Kontrollen.
Max nimmt sich zwei und dazu den hausgemachten Himbeer-Pfirsich-Sirup. »Danke, Sir. Unglaublich lecker, wie immer.« Er gieÃt den Sirup ganz vorsichtig auf die Waffel, einen Tropfen in jedes Quadrat. Obwohl es vielleicht nicht den Anschein hat, ist Max ein vorsichtiger Mensch. Deshalb trinkt er samstagabends keinen Alkohol und kifft auch nicht. Er will nicht verkatert aussehen, wenn er zum Brunch kommt, denn natürlich halten meine Eltern genau danach Ausschau. Nach Beweisen für Zügellosigkeit.
»Dank Andy.« Nathan deutet mit dem Kopf zu meinem anderen Dad hinüber, der von unserem Haus aus eine Konditorei betreibt. »Er hat sie gebacken.«
»Köstlich. Vielen Dank, Sir.« Max lässt keine Gelegenheit aus. »Hattest du genug, Lola?«
Ich strecke mich, und die Plastikarmreifen an meinem rech ten Arm, die den ganzen Unterarm bedecken, klackern aneinander. »Ja, vor ungefähr zwanzig Minuten. Komm schon«, wende ich mich bettelnd an Andy, der noch am ehesten dafür infrage kommt, uns früh zu entlassen. »Können wir jetzt nicht gehen?«
Er zwinkert unschuldig. »Noch etwas Orangensaft? Omelett?«
»Nein.« Ich kämpfe dagegen an, von meinem Stuhl runterzurutschen. Das sieht nämlich unattraktiv aus.
Nathan pikt in eine weitere Waffel. »Und, Max. Wie gehtâs den Zählerständen?«
Wenn Max gerade kein Indiepunk-Garagenrockgott ist, arbeitet er bei der Stadt San Francisco. Es ärgert Nathan, dass mein Freund nicht studieren will. Doch er kapiert einfach nicht, dass Max absolut brillant ist. Er liest komplizierte Ph ilosophiebücher von Autoren, deren Namen ich nicht mal aussprechen kann, und guckt sich haufenweise kritische Politiksendungen im Fernsehen an. Ich würde jedenfalls keine Debatte mit ihm anfangen.
Max lächelt höflich und seine dunklen Augenbrauen gehen einen Tick nach oben. »Genauso wie letzte Woche.«
»Und der Band?«, erkundigt sich Andy. »Sollte da nicht irgend so ein Plattenfuzzi am Freitag kommen?«
Mein Freund runzelt die Stirn. Der Typ vom Label hat sich nicht blicken lassen. Max erzählt Andy stattdessen das Neueste über das bald erscheinende Album von Amphetamine , während Nathan und ich finstere Blicke tauschen. Mit Sicherheit ist mein Vater enttäuscht, weil er mal wieder nichts gefunden hat, was er Max vorwerfen könnte. AuÃer der Sache mit
Weitere Kostenlose Bücher