Wanderer im Universum
durch den Mund gefüttert zu werden wünschte.
Paul berührte die Stirn mit den Fingern, zeigte dann auf seinen Mund und schließlich Tigerishkas spitze Ohren. Dann hatte er eine neue Inspiration – er wies auf ihren Rachen mit den gefährlich aussehenden Reißzähnen und deutete dann wieder auf seine Ohren.
»Ja, ich weiß, daß du reden willst«, antwortete Tigerishka. »Der Affe möchte mit der Katze schwatzen, wie?« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein! Dann kommen nur unwichtige Fragen – eine, zehn, tausend! Ich kenne die Affen gut genug.«
Paul ließ enttäuscht die Hand sinken.
»Trotzdem habe ich vor, dir einiges zu erzählen«, fuhr Tigerishka nach einer kurzen Pause fort. Sie sprach rasch weiter, als langweile sie die Aufzählung: »Ich gehöre einer überlegenen galaktischen Zivilisation an. Wir lesen Gedanken, verständigen uns telepathisch, fliegen durch den Hyperraum, leben unendlich lange und können Sonnen zur Explosion bringen. Wir sehen wie Tiere aus, weil wir die Körperformen unserer Vorväter wieder angenommen haben, wodurch das Gehirn kleiner, aber in Wirklichkeit riesig wird – Psychophysiosubmikrominiaturisation! Wir bleiben überlegen. Das glaubst du nicht? Hör zu. Pflanzen leben von anorganischer Materie: Sie sind überlegen! Tiere fressen Pflanzen: Sie sind überlegen. Katzen essen frisches Fleisch: wir sind noch überlegener! Affen wollen alles fressen: ein fürchterliches Durcheinander!«
Dann fügte sie noch hinzu: »Der Wanderer fliegt durch den Hyperraum. Ja, ich weiß – die Himmelsaufnahmen. Wir brauchen Treibstoff – viel Materie für die Konverter. Euer Mond ist ausgezeichnet dafür geeignet; wir zertrümmern, pulverisieren und saugen ihn auf. Wenn wir genügend Treibstoff haben, fliegen wir wieder fort. Die Affen brauchen sich also nicht aufzuregen.«
Nachdem Tigerishka ihren kleinen Vortrag beendet hatte, war Paul fünf Sekunden lang wütend, weil er sich über ihre herzlosen Vereinfachungen ärgerte. Dann fiel ihm ein, daß er im Augenblick nichts unternehmen konnte, was die gegenwärtige Situation verändert hätte. Deshalb holte er langsam tief Luft und hoffte, daß sein Gesicht jetzt weniger rot angelaufen war. Als nächstes drückte er die Hand auf den Mund und nahm sie plötzlich wieder fort, als wolle er sagen: »Weg mit dem Knebel!«
Dabei fiel ihm ein, daß diese Geste im Grunde genommen sinnlos war, denn Tigerishka kannte seine Gedanken schließlich ebensogut wie er selbst. Aber dann wurde ihm klar, daß es sich dabei um ein Spiel handelte. Katzen spielen gern mit hilflosen Opfern, und Tigerishka war in diesem Fall keine Ausnahme.
Sie bestätigte Pauls Verdacht, indem sie langsam den Kopf schüttelte und dabei höhnisch zu grinsen schien.
Paul entschied sich für eine leichte Veränderung seiner Geste. Er wiederholte die vorher gemachte Handbewegung, führte aber dann die Hand zum Mund, als halte er ein Glas, aus dem er trinke. Schließlich legte er noch den Zeigefinger über die Lippen.
Tigerishka starrte ihn aufmerksam an. »Du sprichst nicht, wenn ich dich trinken lasse? Kein einziges Wort?«
Paul nickte ernsthaft.
Tigerishka klappte den Deckel des Kastens auf und holte eine weiße Plastikflasche daraus hervor, die etwa einen Liter Flüssigkeit enthielt. Dann hielt sie Paul die Flasche an den Mund und sagte: »Ich drücke vorsichtig, während du trinkst.« Sie fuhr ihm mit der anderen Pfote über die Lippen. Der Knebel verschwand augenblicklich, dann spürte Paul die kalte Flüssigkeit, die eine Wohltat für seinen ausgetrockneten Hals war. Nach dem ersten Schluck merkte er auch, was er trank: Milch. Er konnte nicht beurteilen, ob sie überhaupt für seinen Körper verdaulich war, verließ sich aber in dieser Beziehung ganz auf Tigerishka.
Als Paul den ersten Durst gestillt hatte, hob er die Hand, um die Plastikflasche selbst zusammenzudrücken. Tigerishka hatte nichts dagegen einzuwenden, ließ aber trotzdem nicht gleich los, so daß er einen Augenblick lang den samtweichen Pelz ihrer Pfote berührte, unter dem sich die eingezogenen Krallen deutlich abzeichneten. Dann zog sie ihre Tatze zurück und sagte dabei nur: »Langsam und vorsichtig!«
Als die Flasche leergetrunken war, gab Paul sie ihr zurück und sagte unwillkürlich: »Danke ...« Aber bevor er noch etwas hinzufügen konnte, berührte Tigerishka wieder seine Lippen, so daß er nicht weitersprechen konnte.
Paul fragte sich, ob der Knebel vielleicht nur in seiner Einbildung
Weitere Kostenlose Bücher