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Wanderer, Kommst Du Nach Spa ... Großdruck

Wanderer, Kommst Du Nach Spa ... Großdruck

Titel: Wanderer, Kommst Du Nach Spa ... Großdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Winkzeichen aus einem überfüllten Abteil heraus verständigen …
    »Nett«, sagte ich schon zum drittenmal, »wirklich nett, daß du bei mir vorbeigekommen bist.«
    »Ich bitte dich, wo wir uns schon so lange kennen. Fünfzehn Jahre.«
    »Ja, ja, wir sind jetzt dreißig, immerhin … kein Grund …«
    »Hör auf, ich bitte dich. Ja, wir sind jetzt dreißig. So alt wie die russische Revolution …«
    »So alt wie der Dreck und der Hunger …«
    »Ein bißchen jünger …«
    »Du hast recht, wir sind furchtbar jung.« Sie lachte.
    »Sagtest du etwas?« fragte sie nervös, denn sie war von hinten mit einem schweren Koffer gestoßen worden …
    »Nein, es war mein Bein.«
    »Du mußt was dran tun.«
    »Ja, ich tu was dran, es redet wirklich zu viel …«
    »Kannst du überhaupt noch stehen?«
    »Ja …«, und ich wollte ihr eigentlich sagen, daß ich sie liebte, aber ich kam nicht dazu, schon seit fünfzehn Jahren …
    »Was?«
    »Nichts … Schweden, du fährst also nach Schweden …«
    »Ja, ich schäme mich ein bißchen … eigentlich gehört das doch zu unserem Leben, Dreck und Lumpen und Trümmer, und ich schäme mich ein bißchen. Ich komme mir scheußlich vor …«
    »Unsinn, du gehörst doch dahin, freu dich auf Schweden …«
    »Manchmal freu ich mich auch, weißt du, das Essen, das muß herrlich sein, und nichts, gar nichts kaputt. Er schreibt ganz
    begeistert …«
    Die Stimme, die immer sagt, wann die Züge abfahren, erklang jetzt einen Bahnsteig näher, und ich erschrak, aber es war noch nicht unser Bahnsteig. Die Stimme kündigte nur einen internationalen Zug von Rotterdam nach Basel an, und während ich Charlottes kleines, zartes Gesicht betrachtete, kam der Geruch von Seife und Kaffee mir in den Sinn, und ich fühlte mich scheußlich elend.
    Einen Augenblick lang fühlte ich den verzweifelten Mut, diese
    kleine Person einfach aus dem Fenster zu zerren und hier zu behalten, sie gehörte mir doch, ich liebte sie ja …
    »Was ist?«
    »Nichts«, sagte ich, »freu dich auf Schweden …«
    »Ja. Er hat eine tolle Energie, findest du nicht? Drei Jahre gefangen in Rußland, abenteuerliche Flucht, und jetzt liest er da schon über Rubens.«
    »Toll, wirklich toll …«
    »Du mußt auch was tun, promovier doch wenigstens …«
    »Halt die Schnauze!«
    »Was?« fragte sie entsetzt. »Was?« Sie war ganz bleich geworden.
    »Verzeih«, flüsterte ich, »ich meine nur das Bein, ich rede manchmal mit ihm …«
    Sie sah absolut nicht nach Rubens aus, sie sah eher nach Picasso aus, und ich fragte mich dauernd, warum er sie bloß geheiratet haben mochte, sie war nicht einmal hübsch, und ich liebte sie.
    Auf dem Bahnsteig war es ruhiger geworden, alle waren untergebracht, und nur noch ein paar Abschiedsleute standen herum. Jeden Augenblick würde die Stimme sagen, daß der Zug abfahren soll. Jeder Augenblick konnte der letzte sein …
    »Du mußt doch etwas tun, irgend etwas tun, es geht so nicht.«
    »Nein«, sagte ich.
    Sie war das gerade Gegenteil von Rubens: schlank, hochbeinig, nervös, und sie war so alt wie die russische Revolution, so alt wie der Hunger und der Dreck in Europa und der Krieg …
    »Ich kann's gar nicht glauben … Schweden … es ist wie ein Traum …«
    »Es ist ja alles ein Traum.«
    »Meinst du?«
    »Gewiß. Fünfzehn Jahre. Dreißig Jahre … Noch dreißig Jahre. Warum promovieren, lohnt sich nicht. Sei still, verdammt!«
    »Redest du mit dem Bein?«
    »Ja.«
    »Was sagt es denn?«
    »Horch.«
    Wir waren ganz still und blickten uns an und lächelten, und wir sagten es uns, ohne ein Wort zu sprechen.
    Sie lächelte mir zu: »Verstehst du jetzt, ist es gut?«
    »Ja … ja.«
    »Wirklich?«
    »Ja, ja.«
    »Siehst du«, fuhr sie leise fort, »das ist es ja gar nicht, daß man zusammen ist und alles. Das ist es ja gar nicht, nicht wahr?«
    Die Stimme, die sagt, wann die Züge abfahren, war jetzt ganz genau über mir, amtlich und sauber, und ich zuckte zusammen, als schwinge sich eine große, graue, behördliche Peitsche durch die Halle.
    »Auf Wiedersehen!«
    »Auf Wiedersehen!«
    Ganz langsam fuhr der Zug an und entfernte sich im Dunkel der großen Halle …
    Die Botschaft

    Kennen Sie jene Drecknester, wo man sich vergebens fragt, warum die Eisenbahn dort eine Station errichtet hat; wo die Unendlichkeit über ein paar schmutzigen Häusern und einer halbverfallenen Fabrik erstarrt scheint; ringsum Felder, die zur ewigen Unfruchtbarkeit verdammt sind; wo man mit einem Male spürt, daß sie

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