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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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vorfindet. Die Leute sind höflich und freundlich und ich werde vortrefflich mit ihnen fertig. Zugleich erhalte ich Komplimente über Komplimente à cause de ma honnêteté. Ich bin fest überzeugt, daß die gelegentlich feindliche Haltung der Einwohner nur von dem zügellosen Betragen der alliierten Armeen herrührt. Die Verheerungen übersteigen alle Vorstellungen. Von Chaumont bis Troyes habe ich in den Dörfern keine Einwohner und von Nancy bis drei Lieues von Chatillon kein Federvieh gesehen. Und wem schaden wir durch solch Gebaren am meisten? Uns selbst. Die nachrückenden Truppen finden nichts und müssen, nach starken Märschen, auch noch hungern. Eben hör' ich, das Hauptquartier werde sich nach Lyon begeben. Ich glaub' es jedoch nicht, daß wir bestimmt sind, so weit nach Süden hin auszubiegen. Geschäh' es doch, so bekäme ich die schönsten Städte Frankreichs zu sehen und könnte vielleicht immer noch sagen ›die Kampagne mitgemacht zu haben‹.«
    So Karl von Hertefeld am 27. März. Vier Tage später hatten sich die Dinge sehr geändert, und die Nachricht von der entscheidenden Niederlage Napoleons bei Arcis sur Aube, wie sie dem großen Hauptquartier bekannt geworden war, war auch zur Kenntnis unseres Briefschreibers gelangt. Er meldet erst das Tatsächliche dem Vater und fährt dann fort: »Es kommt dies alles vom Tische des Staatskanzlers, muß also wohl richtig sein. Übrigens wissen wir erst jetzt, daß wir in Bar sur Aube nahe daran gewesen sind, inklusive Hauptquartier und Kaiser von Österreich, aufgehoben zu werden. Am Morgen um 4 Uhr brachen wir von Bar sur Aube auf, und am Abend war – Napoleon in der Stadt. Der ganze Landstrich, in dem wir uns hier befinden, ist nicht annähernd so verwüstet, wie Lothringen und die Champagne, vielleicht weil überhaupt und vor allem keine Russen hierher gekommen sind. Die Einwohner sind äußerst zuvorkommend und das Hauptquartier hat keine Ursache zur Klage. Hier hab' ich auch zum ersten Male ein französisches Schauspiel gesehen. Es war ein bürgerliches Lustspiel und übertraf alle meine Erwartungen. Wie hölzerne Klötze kommen mir unsere deutschen Schauspieler dagegen vor. Gestern wurde eine dreiaktige Oper ›Virginie et Paulin‹ angekündigt. Da fand ich nun freilich, und zumal in den effektvollen Szenen, meine Leute sehr verändert. Es gab ein förmliches Heulen, Schreien und Herumfahren auf dem Theater, alle waren wie Besessene, und ich fürchtete ein paarmal, sie würden sich die Kleider vom Leibe reißen. Wenn ich nicht mehrere Schauspieler vom Tage vorher in ihnen wiedererkannt hätte, so würde ich nie geglaubt haben, daß diese Menschen in einem Genre so gut und in dem anderen so unsinnig sein könnten.«
    Dieser zweite Brief aus Dijon ist vom 31. März.
    Schon am Tage vorher hatten sich die Dinge vor Paris entschieden, und Karl von Hertefeld brach aus der burgundischen Hauptstadt (Dijon) auf, um sich, auf nächstem Wege, nach der Landeshauptstadt zu begeben. Am 5. oder 6. April traf er daselbst ein und schrieb von hier aus einige durch gute Beobachtung, bon sens und Humor ausgezeichnete Briefe, denen ich folgende Stellen entnehme.
     
    Paris, 18. April 1814.
     
    Ich habe nun die herrlichen Kunstwerke mit Muße angesehen und jedesmal, daß ich wieder hinkam, hab' ich etwas neues Herrliches entdeckt. Welcher Reichtum an Gemälden hier zusammen gehäuft ist, kannst Du daraus abnehmen, daß sich hier allein fünfundzwanzig Raphaels befinden. Alles ist nach Schulen geordnet, und wundert es mich nur, daß man die deutsche mit der niederländischen zusammen geworfen hat.
    Und wie die Sammlungen, habe ich nun auch die berühmtesten Theater gesehen. Die große Oper ist herrlich, trotz des Gebrülls der Sänger bei Bravourarien. Ich sah Iphigénie en Aulide. Mir gefiel der Gesang anfänglich recht gut, als aber die Stelle kam, wo Achill und Agamemnon sich zanken, war es kaum zum Aushalten. Und doch erfolgte gerade jetzt ein Applaudissement, daß das Haus dröhnte. Hernach sah ich Orphée, der mir viel besser gefiel, weil nicht voll so stark geschrien wurde. Aber was soll ich vom Ballett sagen! Das reißt einen ganz hin; alles steht an seinem Platz und greift ineinander; jeder Figurant ist in seiner Art ein Künstler. Will man aber einen Körper sehen, der zum Äther wird, so ist es die Gardel. Beschreiben läßt sich ihr Tanz gar nicht. Man sieht weder Gliederverdrehungen, noch tours de force; alles ist Grazie, wenn sie über das Theater

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