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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hinschwebt. Was aber am meisten zu verwundern ist, ist das, daß diese Frau schon zweiundvierzig Jahre zählt.
    Im Théâtre français habe ich Semiramis gesehen. Die berühmte George spielte die Semiramis und Talma den Arsace. Talma hat mir sehr genügt, aber die George gar nicht. Es ist sonderbar mit der französischen Tragödie; man begreift anfänglich nicht, wie diese Deklamationsweise gefallen kann, und am Ende bringt sie doch einen schönen Effekt hervor. Bei dieser Gelegenheit muß ich noch etwas erwähnen, was mir in diesem Stücke sehr auffiel und vielleicht als Kommentar für die wahre Stimmung des französischen Volkes dienen kann. Talma hat nämlich als Arsace folgende Worte zu sprechen: »le ciel donne souvent des rois dans sa vengeance.« Bei dieser Sentenz erfolgte ein Beifall, daß das ganze Haus widerhallte. Und gewiß wurde nicht bloß deshalb applaudiert, weil Talma die Worte schön gesprochen hatte.
    In der eigentlichen leichten Komödie sind die Franzosen unübertrefflich, und in den kleineren Vaudevilletheatern, wo dergleichen aufgeführt wird, muß man sich fast totlachen. Sinn ist in allen diesen Stücken herzlich wenig, aber darauf kommt es auch gar nicht an; wenn nur der Unsinn gut gespielt wird, so geht das Publikum vergnügt nach Haus. Und mir ist es ebenso gegangen. In Deutschland müßte man vor Langeweile umkommen, wenn einem so was vorgespielt würde.
    Zum Schluß muß ich Dir noch schreiben, wie sich alle Theater beeifern, Gelegenheitsstücke vorzuführen, in denen ein vive le roi angebracht werden kann. Da nun aber die französische Geschichte ziemlich arm an edlen Königen ist, so fällt alles über Henri IV. her, der jetzt unter allen möglichen Formen, auf allen möglichen Bühnen herumwandeln muß. Da gibt es la partie de chasse de Henri IV., Henri et d'Aubigny, le souper de Henri IV. ou la dinde en pal, ja sogar le dessert de Henri IV. In allen diesen Stücken sind Lieder angebracht zum Lobe der Könige, der »souverains legitimes«, die dann möglichst beklatscht werden. Doch war kein Applaudissement so stark, wie bei den oben erwähnten Worten Talmas.
    Von Bekannten hab' ich hier noch Dönhoff, Salpius und Serre, den Vater, gesprochen.
     
    Paris, den 30. April 1814.
     
    Die Bauten und Arbeiten, die Napoleon teils hat vornehmen lassen, teils vornehmen wollte, grenzen wirklich an das Riesenhafte. Auf dem Platz, wo die Bastille stand, sollte ein Elefant von Bronze, zwölfmal größer als ein natürlicher, zu stehen kommen. Bloß um das Modell arbeiten zu können, hat man ein turmähnliches Gebäude aufführen müssen. Dieser Elefant sollte über den projektierten Ourcq-Kanal gestellt werden, so daß die Schiffe unter ihm weggingen, bei welcher Aufstellung er zugleich als Prospekt der ebenfalls neu edierten rue impériale gedient haben würde. Die Herstellung dieser neuen Straße wurde, weil alte Häuser niedergerissen werden mußten, auf vierzehn Millionen Francs berechnet.
    Ich gehe gern ins Theater, aber es wird einem fast zuwider, weil immer nur Gelegenheitsstücke gegeben werden, in denen man bei jeder passenden oder nicht passenden Strophe wütend applaudiert. Jedes der verschiedenen Theater hat sich, wie ich Dir schon schrieb, ein von Henri quatre handelndes Stück angeschafft, das nun jeden Abend zur Aufführung kommt. Die Stimmung des Volkes zeigt sich dabei in einem sehr grellen Lichte. Der Kaiser von Rußland glänzt vor allen anderen Fürsten und wird fast als der einzige angesehen, der etwas zu sagen habe. Dazu kommt noch, daß sein Name sich in Gedichten gut anbringen läßt, wohingegen Frédéric Guillaume und François in keinem Couplet recht reimen wollen, so sehr sich auch die Dichter abarbeiten, solche Reime zu finden.
     
    Paris, den 8. Mai 1814.
     
    Paris enthält jetzt so viele merkwürdige Männer, wie wohl nie zuvor. Außer den Monarchen ist fast die ganze englische Generalität hier, Lord Wellington an der Spitze. Ich habe diesen merkwürdigen Mann in der Oper gesehen. Schade war es, daß er in einer dunklen Loge saß und sich, um einiger englischen Damen willen, fast wie in einen Winkel gesetzt hatte, so daß ich mir seine Gesichtszüge nicht recht einprägen konnte. Nur soviel sah ich, daß ihm keines der mir in Berlin bekannt gewordenen Gemälde glich. Er ist hager und sein Gesicht länglich; außerdem aber schien mir etwas ganz unenglisch Anspruchsloses darin zu liegen, was ihn mir noch lieber machte.
    Der Einzug Ludwigs XVIII. ist am vorigen

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