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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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von diesem Zeitpunkt an pädagogische Fragen verhandelt (es war ja die Basedow-und Pestalozzi-Zeit) und die mannigfach eingestreuten Mitteilungen und Ratschläge geben uns, auch nach dieser Seite hin, ein Bild aus jenen Tagen. »Ich bin für harte Bestrafungen, aber für augenblickliche. Ein Klaps zur rechten Zeit wirkt wahre Wunder.« Und bald darauf: »Ich höre von allerhand Erziehungsnöten, in denen Du Dich befindest. Nun, ich bin mit Deinem Bruder Karl in der gleichen Lage. Was ich zu sagen habe, ist kurz das: studiere die Gesinnungen und Neigungen des Kindes. Ist er cholerisch-lebhaft, so suche, sobald er hartnäckig einen eigenen, ihm unzulässigen Willen zeigt, diesen Willen zu brechen. Entgegengesetzten Falles hast Du später einen schweren Stand. Ist er aber bloß lustig, wild und aus Leichtsinn unwillig, so mußt Du seine Aufmerksamkeit abzulenken suchen, was bei einem Kinde meistens nicht schwer ist. Das aber, worauf Du vor allem zu sehen hast, ist das, daß er erstens überhaupt und zweitens nach einer bestimmten Ordnung und seinem Naturell entsprechend beschäftigt ist. In einer solchen Ordnung erziehe ich jetzt Deinen Bruder.« Und im nächsten Briefe hören wir denn auch in welcher Ordnung. »Ich beginne mit dem Schlaf, dieser ›Nährmutter unsrer Natur‹. Er kann schlafen, solang er will, denn ich gehe davon aus, daß ein jugendlicher Körper, nach dem beständigen Umherspringen, auch wieder seine volle Ruhe haben muß. Gemeinhin ist er um 8 Uhr munter, wird gewaschen und gekleidet, frühstückt mit mir, liest unter Aufsicht und Anleitung und geht dann ins Freie. Gegen 11 Uhr ist er wieder um mich her, sieht sich Bilder an oder spielt, oder liest mir auch wohl aus seinen Kinderbüchern vor, wobei sich's gebietet, mit Geduld und Teilnahme zu folgen. Am Nachmittage beginnen dann seine Spaziergänge, zunächst wieder in den Garten, in dem er mit Hacke, Spaten und Schubkarren tätig ist, und danach, in meiner Begleitung, in Feld oder Wald. Ist schlimmes Wetter, so muß allerhand Spielzeug aushelfen. Und um 9 Uhr zu Bett.« 39
    Überblicke ich alles an dieser und anderer Stelle Gesagte, so läßt sich leicht erkennen, daß er von einer auf Beispiel und Anschauung den Akzent legenden Erziehung sehr viel, von der eigentlichen »Schule« aber sehr wenig hielt. Er betonte Gesinnung, Form und gute Sitten, das Lernen dagegen mußte sich wie von selber machen. Und wenn er nichtsdestoweniger ein promptes Innehalten der Lehrstunden forderte, so geschah es vorzugsweise um Disziplin und Ordnung willen.
    1804 entspann sich, bei Gelegenheit eines schon früher erwähnten Ferienbesuchs, ein intimes Freundschaftsverhältnis zwischen dem zehnjährigen »Onkel Karl« und seinem siebenjährigen Neffen Heinrich von Dankelmann. »Es ist meine tägliche Freude«, schreibt der Alte, »die Kinder zu sehen. Sie bauen und pflegen das Stück Gartenland, das ich ihnen gegeben habe, reiten und fahren, und gehen sogar auf Jagd, seit Karl eine Flinte hat. Er ist geschickt genug und hat neulich eine Elster, eine Krähe und ein Eichkätzchen geschossen. Auch im Hause wissen sie sich gut genug zu bewegen und selbst in den Unterrichtsstunden trennen sie sich nicht. Ich war heute bei einer Geographiestunde zugegen und sah, wie Heinrich, dem die Sache noch zu gelehrt vorkam, über einem Fabelbuche saß. Sie lesen viel aus dem Robinson und überhaupt aus Campes Kinderbibliothek. Alles aber verschwindet neben einem Schiff mit Segeln und mehr noch neben einer Elektrisiermaschine, die ich Karl zu Weihnachten geschenkt habe. Vor dieser sitzen sie stundenlang und drehen und laden Flaschen, und freuen sich, wenn der Funke überspringt.«
    Ein halbes Jahr lang dauerten diese »Ferien«, und als endlich die Trennung erfolgen mußte, beschloß der alte Freiherr, um Karl in seiner Vereinsamung zu trösten oder schadlos zu halten, eine Reise mit ihm zu machen. Und zwar nach Hamburg. Das war im Mai oder Juni 1805, und der phantasievolle Knabe begeisterte sich nicht nur an der sich groß und neu vor ihm erschließenden Welt, sondern unterließ auch nicht, eine Beschreibung davon in einem sechzehn Quartseiten langen Briefe zu Papier zu bringen. Eben dieser Brief ist uns aufbewahrt geblieben und kann, als Elaborat eines Zehnjährigen, für musterhaft gelten. Er zeigt schon, neben einer überraschend scharfen Beobachtung, denselben guten Humor, der seine späteren Briefe, von denen ich einige mitzuteilen gedenke, kennzeichnet. In Vater und Sohn ist

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