Wanderungen durch die Mark Brandenburg
richtige gegenüberzustellen.
10. Kapitel
Dreilindens Umgebung
Dreilinden ist, nach allen Seiten hin, von landschaftlich und historisch anziehenden Plätzen, darunter Pfaueninsel, Kohlhasenbrück, Jagdschloß Stern, Klein-Machnow, Gütergotz (jetzt von Bleichröderscher Besitz) umgeben. In engerem Kreise liegen: Benschs Grab, Kleists Grab, Stolpe (mit der Stolper Kirche) und die Kirche von Nikolskoe.
Diesen vier Punkten wenden wir uns zum Schlusse zu.
1. Benschs Grab
Salz- und Schiffahrtsdirektor Bensch (siehe Seite 321), der eigentliche Schöpfer, der erst später, 1865, zum »Rittergute Düppel« erhobenen Kolonie Neu-Zehlendorf, hing an dieser seiner Schöpfung derart, daß er, trotzdem er sich 1856 derselben entäußerte, doch auf ihr begraben sein wollte. Das geschah dann auch und zwar in unmittelbarer Nähe von Dreilinden.
Benschs Grab, wie im Volksmunde die Stelle heißt, ist nicht bloß ein Grab, sondern ein Friedhof und besteht aus zwei mitten im Walde gezogenen Kreisen, einem weiteren Laubholz- und einem engeren Nadelholzkreis, in dessen Mittelpunkte sich ein holzumgittertes, großes und von einem alten Lindenbaum überschattetes Familiengrab befindet. Alles von Efeu dicht überwachsen und voll jenes eigentümlichen Zaubers, den immer nur die Begräbnisplätze haben, die sich von aller Kunst fernzuhalten und sich statt dessen an die Natur möglichst eng anzuschließen wissen. Es hat das allertiefste Zusammenhänge mit dem »Wieder zu Erde werden«, ein natürlicher Prozeß, den wir so wenig wie möglich gestört sehen wollen. Die mehr oder minder zwangvoll herangezogene künstlerische Betätigung, die, je nachdem, ins Museum oder in die Kapelle gehört, wird draußen wie Disharmonie. Keine gegossenen Kreuze, mit dem Schmetterling oder dem Engel mit der gesenkten Fackel darauf, haben mich je so tief bewegt, wie die Feldsteingräber in Jütland und Schleswig, oder hier dies unter Bäumen geborgene »Benschsche Grab«. Unvergeßne Stunde, die mich in seine mystisch gezogenen Kreise führte! Die Dämmerung war gekommen, eine Himbeerhecke duftete, tiefer im Walde schlugen die Nachtigallen und die Mondessichel (ein Ring, eine Linie nur) stand hoch über uns im Blauen.
2. Kleists Grab
Ein noch größeres Interesse weckt das etwa tausend Schritt von Dreilinden, unmittelbar am kleinen Wannsee gelegene Grab von Heinrich von Kleist. Erst der Prinz erwarb diesen Uferstreifen. Die Stätte selbst ist seit Eröffnung der in geringer Entfernung vorüberführenden Grunewaldbahn eine vielbesuchte Pilgerstätte geworden und in schöner Jahreszeit vergeht wohl kein Nachmittag, an dem nicht Sommervergnüglinge von Station Neu-Babelsberg her aufbrächen, um, am Wannsee hin ihren Weg nehmend, dem toten Dichter ihren Besuch zu machen.
Der Weg von Dreilinden her aber ist ein andrer und mündet erst in verhältnismäßiger Nähe von »Kleists Grab« in einen sowohl dem Neu-Babelsberger wie dem Dreilindner Wege gemeinschaftlichen, von Werft und Weiden umstandenen Wiesenpfad ein, der auf die (wie schon hier bemerkt werden möge) sich dem Auge völlig entziehende Begräbnisstätte zuführt.
An eben erwähntem Einmündungspunkte gesellt' ich mich einer »Partie« zu: vier Personen und einem Pinscher, die, den Pinscher nicht ausgeschlossen, mit jener Heiterkeit, die, von alter Zeit her, allen Gräberbesuch auszeichnet, ihre Pilgerfahrt bewerkstelligten. Es waren kleine Leute, deren ausgesprochenster Vorstadts- und Bourgeoischarakter mir, in dem Gespräche, das sie führten, nicht lange zweifelhaft bleiben konnte.
Die Tochter ging ein paar Schritte vorauf. »Er soll ja so furchtbar arm gewesen sein«, sagte sie mit halber Wendung, während sie zugleich mit einem an einer Kette hängenden großen Medaillon spielte. »Solch berühmter Dichter! Ich kann es mir eigentlich jar nich denken.«
»Ja, das sagst du wohl, Anna«, sagte der Vater. »Aber das kann ich dir sagen, arm waren damals alle. Und der Adel natürlich am ärmsten. Und war auch schuld. Denn erstens diese Hochmütigkeit und dann dieser Kladderadatsch und diese Schlappe. Na, Gott sei Dank, so was kommt nich mehr vor. Davor haben wir jetzt Bismarcken.«
»Ach, Herrmann«, unterbrach ihn hier die Frau, »laß doch den. Hier sind wir ja doch bei Kleisten. Und arm? Ich hab es janz anders gehört; um eine kranke Frau war es. Und er soll ihr ja so furchtbar geliebt haben.«
»I, Gott bewahre«, sagte der Mann in einem Ton, als ob es sich um das denkbar
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