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0971 - Die zerrissene Stadt

0971 - Die zerrissene Stadt

Titel: 0971 - Die zerrissene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred H. Rückert
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»Du bist ein verdammter Narr! Alter Mann, du hast doch einen an der Klatsche.«
    Robert Tendyke war unzufrieden mit dem Verlauf seiner letzten Reise. Der Alleinbesitzer der Tendyke Industries hatte sich vor Ort informiert, dass der Bericht von Silbermond-Druide Luc Avenge und Professor Zamorra über ihren gemeinsamen Einsatz in Wilkesland am Südpol der Wahrheit entsprach. Die Blaue Stadt, die schon viele Tausend Jahre unter der Antarktis existierte, war verschwunden. Anstelle der Stadt war ein mehrere Kilometer durchmessender, bis zu knapp 20 Meter tief liegender Krater getreten. Das Camp von Tendykes ehemaliger Expedition lag unter Millionen Tonnen Schnee begraben. Selbst die Funkstation, die vor kurzer Zeit wieder einmal Signale ausgesendet hatte, schwieg für immer.
    Die Chance, endlich dem Geheimnis der Blauen Städte auf die Spur zu kommen, war einmal mehr vertan. In seinem mittlerweile 516 Jahre währenden Leben hatte Tendyke gelernt, dass sich langes Warten und das Zuschlägen im richtigen Augenblick lohnten. Man musste nur die nötige Geduld besitzen, um auf die richtige Gelegenheit warten zu können. Wer auf schnellen Erfolg aus war, der konnte auch nur mit geringem Ertrag rechnen.
    Tendyke hatte seine Schulden bei Luc Avenge bezahlt, indem er ihm die gewünschten Transfunk-Geräte lieferte, eine abhörsichere, überlichtschnell funktionierende Sprech- und Bildfunkverbindung, die ursprünglich von der außerirdischen DYNASTIE DER EWIGEN entwickelt und vor einigen Jahren von den Tendyke Industries abgekupfert worden war. Danach hatte er sich vorgenommen, die nächstgelegene Blaue Stadt aufzusuchen. Und die befand sich in der Nähe seines Grund und Bodens. Nicht weit von seiner Blockhütte entfernt, mitten in nahezu unzugänglicher Wildnis in den Sümpfen Louisianas.
    Unzufriedener als mit dem Verlauf der letzten Reise war Tendyke über das Zusammentreffen mit seinem Vater Asmodis, auch wenn er sich dem Alten gegenüber cool gegeben hatte. Den Erzdämon und ehemaligen Fürsten der Finsternis nannte er nur seinen Erzeuger, denn er lehnte Asmodis ab, mit ihm wollte er weder im Guten noch im Bösen etwas zu tun haben. Umso mehr ärgerte er sich darüber, dass der ehemalige Herr der Hölle ihn einer Befragung unterziehen wollte. Sein Schimpfen bezog sich also auf seinen Erzeuger.
    Natürlich hatte er Asmodis sofort klargemacht, dass er seine Gegenwart nicht schätzte. Er war so abweisend wie immer gewesen, wenn sein Vater etwas von ihm wollte.
    »Nenn mich nicht Sohn. Verstanden?«, hatte er den Teufel angefahren. Dass sein Erzeuger auf die Frage nach dem durchscheinenden Geist, der Tendyke in Wilkesland davor gewarnt hatte, die Finger von den Blauen Städten zu lassen, weil sonst sein Leben in Gefahr geriete, keine Antwort wusste, konnte er noch verschmerzen. Er hätte sowieso nie auf die Warnung des Durchsichtigen gehört - dazu besaß er einen viel zu ausgeprägten Dickkopf. Deshalb befand er sich jetzt auch im Aufbruch zu der anderen Blauen Stadt. Er musste wissen, was hier los war.
    Dass er seinem alten Herrn mit der Bedeutung des Wortes Avalon als Apfelinsel eine Nuss zu knacken gab, gefiel ihm weitaus besser. Das Wort Avalon stammt vom kymrischen Abal ab, was Apfel bedeutet. Neuwalisisch wird es Afal genannt - Afal/Avalun/Avalon. Sollte Asmodis doch sein gewünschtes Rendezvous mit der Herrin vom See bekommen, Hauptsache, Tendyke sah ihn nicht wieder. Seiner Meinung nach konnte er auf der Feeninsel verrotten.
    »Du kannst mich doch mal, Alter«, knurrte er gedankenverloren vor sich hin. Die Begegnung mit Asmodis beschäftigte ihn mehr, als er dachte. Er fuhr mit den gespreizten Fingern einer Hand durch die dunklen Haare, dann setzte er seinen Stetson Modell Diamond Jim auf, weiß mit einem schwarzen Lederband. Robert Tendykes äußere Erscheinung hatte sich seit vielen Jahren nicht verändert, denn er alterte nicht, was ein Erbe seines Vaters war. Er hatte sogar schon oft den eigenen gewaltsamen Tod überstanden, indem er sich auf den Schlüssel und die Zauberworte konzentrierte und nach Avalon überwechselte, wo sein Körper regeneriert wurde; eine Prozedur, die unglaublich schmerzhaft war. Er wirkte immer noch, auch dank des Lederanzugs - allerdings ohne Fransen, damit er sich im Gestrüpp nicht verfangen konnte - und den Cowboystiefeln, wie einer der legendären US-amerikanischen Kuhhirten vergangener Jahrhunderte, genau wie seine Begleiterin. Wer aber dem Blick der dunklen Augen begegnete, der

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