Wanderungen durch die Mark Brandenburg
habt in Sachsen auch nichts ausgerichtet... Ich hätte können was ausrichten; allein ich hätte mehr als die Hälfte meiner Armee aufgeopfert und unschuldig Menschenblut vergossen. Aber dann wär' ich werth gewesen, daß man mich vor die Fähndel-Wache gelegt, und mir einen öffentlichen Produkt gegeben hätte. Die Kriege werden fürchterlich zu führen. –
Nachher haben Ihro Majestät gesagt:
»Von der Schlacht bei Fehrbellin bin ich so orientiert, als wenn ich selbst dabei gewesen wäre! Als ich noch Kronprinz war, und in Ruppin stand, da war ein alter Bürger, der Mann war schon sehr alt! der wußte die ganze Bataille zu beschreiben und kannte den Wahlplatz sehr gut! Einmal setzt' ich mich in den Wagen, nahm meinen alten Bürger mit, welcher mir dann alles zeigte, so genau, daß ich sehr zufrieden war mit ihm. Als ich nun wieder nach Hause reiste, dacht' ich, du mußt doch deinen Spaß mit dem Alten haben! Da fragte ich ihn ›Vater, wißt ihr denn nicht, warum die beiden Herren sich miteinander gestritten haben?‹ ›O jo, Ihro Königliche Hoheiten, dat will ick se wohl seggen. As unse Chorförst is jung west, hat he in Utrecht studeert, und doa is de König von Schweden as Prinz ok west. Doa hebben nu de beede Herrn sich vertörnt und hebben sich bi de Hoar' kricht. Un dat is nu de Pike davon!‹«
Ihro Majestät haben wirklich so plattdeutsch gesprochen.
Weiter kann ich von der Reise keine Beschreibung machen. Denn Ihro Majestät haben zwar noch viel gesagt und gefragt, es würd' aber wohl schwer sein, es alles zu Papier zu bringen.
Neustadt a. D.
Auf der langen Bohlenbrücke
Drüber unsre Schritte dröhnen,
Wandeln wir mit heitrem Blicke
In die Stadt; kühl sind die Straßen,
Blank die Steine, kannst du's fassen?
Du betrittst sie ganz alleine.
Wer kennte nicht Neustadt? Aber wenn es einerseits zu den Städten gehört, von denen die Welt nur den Bahnhof kennt, so gehört es andererseits zu denen, die beständig verwechselt werden.
Uns gegenüber im Kupee sitzt eine blasse Dame von sechsunddreißig und mustert abwechselnd das Bahnhofstreiben und das Bahnhofsgebäude.
»Neustadt an der Dosse... Hier ist ja wohl eine Forstakademie?«
Der Angeredete, den ich meinen Lesern kurzweg als einen Onkel Bräsig der Neustädter Territorien vorstellen möchte, verbeugt sich artig und antwortet: Nein, meine Gnädigste, die Forstakademie ist in Neustadt-Eberswalde.
Richtig. Ich meinte ein Irrenhaus.
Bitte um Entschuldigung, das ist auch in Neustadt-Eberswalde.
Aber ich dächte doch...
Ganz richtig, hier ist ein Gestüt.
Ein Gestüt?
Ja. Sehen sie dort.
Aber mein Gott, das ist ja eine Kirche.
Verzeihung, ich meine weiter links, dort wo die Pappeln stehen.
Ah, so; dort.
Es gibt nämlich, wenn Sie sich dafür interessieren...
Oh, bitte.
... ein Königliches und ein Landesgestüt, und durch Heranziehung arabischer...
Ah, so... Wie weit haben wir noch bis Wittenberge?
*
Der Zug rasselt inzwischen weiter. Nur der Leser und ich sind ausgestiegen, um Neustadt, an dem wir zahllose Male vorübergefahren, endlich auch in der Nähe kennenzulernen. Ein anmutiger Spaziergang, bei sinkender Septembersonne, führt uns ihm entgegen. Unterwegs, von einer Brückenwölbung aus, erfreut uns der Blick über einen weiten Wiesengrund und die kanalartig regulierte Dosse. Fünf Minuten später haben wir die Stadt erreicht, eine einzige Straße, darauf rechtwinklig eine andere mündet. Da, wo sich beide berühren, erweitern sie sich und bilden einen Marktplatz, an dem die »Amtsfreiheit« und die Kirche gelegen sind. Am äußersten Ende der Längsstraße das Gestüt. Auf einen Besuch dieser berühmten Vorbereitungsstätte für unsere Kavalleriesiege verzichten wir und begnügen uns damit unsere Aufmerksamkeit auf Stadt und Vorstadt, und insonderheit auf die Geschichte beider zu richten.
Diese (wenigstens bis in die zweite Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts) ist in wenig Zeilen erzählt.
Burg oder Schloß Neustadt gehörte 1375, wie das Landbuch Kaiser Karls IV. ausweist, dem Lippold von Bredow. Später an die Ruppiner Grafen übergehend, war es zeitweilig den Quitzows, den Bredows, den Rohrs verpfändet, bis es, nach dem Erlöschen des gräflichen Hauses nach Lindow-Ruppin (1524) dem Kurfürsten zufiel. Aber neue Pfandinhaber folgten, und erst 1584 kam es erb- und eigentümlich an Reimar von Winterfeld. Die Winterfelds besaßen es bis zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, an dessen Ende wir
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