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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Regierungsjahren Friedrich Wilhelms I. an, wenigstens scheint die Bauweise, die man kurzweg als eine kümmerliche Nachahmung des Holländischen bezeichnen kann, darauf hinzuweisen. Die Glasschmelze, vor allem aber das Langhaus, in dem ehedem die Spiegelplatten belegt wurden, – sie wirken wie bloße Schuppen, denen man bemüht gewesen ist, mittelst roten Anstrichs ein etwas höheres Ansehn zu geben (ein Ansehn von dem, was sie nicht sind) und erinnern dadurch an die derselben Zeit angehörigen Soldatenwesten, die gar keine Westen waren, sondern nur angenähte Tuchlappen. Am meisten tritt einem diese Dürftigkeit an dem hier errichteten reformierten Betsaal entgegen, der dasselbe Fachwerk und dieselbe rote Tünche zeigt, und seine Bestimmung durch nichts anderes andeutet als durch einen Dachreiter in Form eines aus Schindeln zusammengeklebten Schilderhauses. Zu Häupten desselben ein Glöckchen.
    Das Ganze fiel uns auf, wenn auch nur durch seine Wunderlichkeit. Wir traten deshalb dicht an die hohen, aus kleinen grünen Scheiben zusammengesetzten Fenster heran und sahen in den Betsaal hinein, der aus einem Katheder und sechs Bank- und Pultreihen bestand. Auf den Pulten lagen viele Gesangbücher aufgeschlagen, als habe eben erst eine Gemeinde diesen Betsaal verlassen. Und doch waren es über drei Jahre, seit man sich hier zum letzten Male versammelt hatte. Das Ganze berührte mich unheimlich, etwa wie ein angerichtetes Mahl, das von langer Zeit her seiner Gäste harrt, oder wie die leise Musik in Spukschlössern, drin Geigen unsichtbar zum Tanze spielen. Aber kein Tänzer kommt.
     

Wusterhausen a. D.
     
    Kleine Städte aufzufinden,
    Städte, die in wenig Jahren
    Werden ganz und gar verschwinden,
    Treibt's mich über Land zu fahren;...
    Sind sie auch nicht schön geblieben,
    Schön ist immer, was wir lieben.
    C. Hesekiel
     
    Von Neustadt a. D. bis Wusterhausen a. D. ist nur ein Schritt. »Il n'y a qu'un pas.« Die mißliebigen Anklänge, die vielleicht für alles, was Wusterhausen heißt, in diesem Zitate liegen, sind nicht ernsthaft gemeint und können es nicht sein, da das gegenseitige Verhältnis in einem anderen berühmten Dichterworte längst seinen mustergültigen Ausdruck gefunden hat. »Rosenkranz und Güldenstern und Güldenstern und Rosenkranz.« In der Tat, sie sind Zwillinge, Dosse-Brüder, und einander so ähnlich wie die Kibitzeier, die sich, am Fluß hin, in dem Röhricht ihrer beiderseitigen Feldmarken vorfinden. Aber da kommt mir freilich eine neue Sorge. »Wie ähnlich Sie Ihrem Herrn Bruder sehn!« Wer zu solcher Versicherung greift, darf beinah immer überzeugt sein, sich auf einen Schlag zwei Feinde gemacht zu haben.
    Auch Wusterhausen besteht aus einer Haupt- und einer Nebenstraße, die hier aber keinen einfachen Haken ( | ), sondern etwa eine Form wie diese |–– bilden. Da wo beide Straßen sich treffen, erweitern sie sich, ganz wie in Neustadt, zu einem platzartigen Mittelpunkte, der, neben einer Anzahl gleichgültiger Häuser, auch die steinerne Historie Wusterhausens, die Kirche trägt. Seine geschriebene Historie ging in verschiedenen Rathausbränden unter. Was trotzdem übriggeblieben ist, ist schnell erzählt. Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert gehörte Wusterhausen den Plothos, deren Burg vor dem Kyritzer Tore stand. Noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts waren die Ruinen derselben erkennbar; jetzt nur noch der »Burgwall«. Außer diesem Überbleibsel erinnert nichts weiter als das Stadtwappen an diese frühste historische Zeit: die Plothosche Lilie durch den märkischen Adler halbiert. Schon Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ging Wusterhausen an die Markgrafen über, ward also Immediatstadt und blieb es. Um 1360 trat es plötzlich in Beziehungen zur Hansa, und wie stark auch die Zweifel sein mögen, die sich speziell an diese Tradition knüpfen, so entzückt es doch meine Phantasie, mir Wusterhausen zu denken, wie es mit einem Sechszehntel Anteil am Buch eines Orlogschiffes steht und dem König Waldemar samt dem ganzen Norden Gesetze vorschreibt. Fünfzig Jahre später sehen wir unsere Dosse-Stadt abermals an der Grenze hoher Politik: »Die Wusterhäusener verbinden sich nächtlicher Weile mit den Quitzows gegen die Bredows«, aber auch diese Großtat zerrinnt in Nebel, wie der vorerwähnte Anteil am Hansasieg. »Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif«. Und dieser Nebelstreif wird immer dichter und dunkler und verdunkelt sich endlich zu völliger Nacht, aus der es nur dann und

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