Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Pfennigängstlichkeit und Unternehmungskühnheit, alles auf Grundlage tief eingewurzelten und mit Vorliebe gepflegten Spießbürgertums.
    Der äußere Gang seines Lebens ist bald erzählt. Von illustrierenden Zügen füg' ich nur einzelnes hinzu.
     
    *
     
    Johann Christian Gentz wurde den 26. Juli 1794 geboren. Sein Vater war ein kleiner Tuchmacher und der Sohn trat mit dreizehn Jahren in das väterliche Handwerk ein. Dann kamen Wanderjahre. 1820, inzwischen von seinen Kreuz- und Querzügen zurückgekehrt, verheiratete er sich mit Juliane Voigt und erstand von ihrem Vermögen, 2000 Taler, ein kleines Eisen- und Kurzwarengeschäft, das sich schon damals in dem eingangs erwähnten Hause (dem Gustav Kühnschen schräg gegenüber) befand. Er fühlte was vom Handelsgeist in sich und diesem Geiste folgend, ging er bald von dem Eisen- und Kurzwarengeschäft zum Bank- und Wechselgeschäft über; endlich wurde das Wustrauer Luch erstanden und Gentzrode gegründet, über welche Gründung ich, am Schluß dieses Bandes, in einem besonderen Abschnitt ausführlich berichte. Diese Gründung von Gentzrode war das letzte große Unternehmen. Aber ehe die Tausende dafür verausgabt werden konnten, mußten die Einer und Zehner erworben werden. Das forderte einen langen und mühevollen Weg.
    Wie er diesen Weg machte, welche Mittel er ersann, um zu seinem Ziele zu gelangen, ist bezeichnend für den Mann. Um drei Uhr war er auf und begann damit den Laden selber auszufegen. Dies verriet Kraft und Energie und vor allem jenen Mut, der dem Gerede der Leute Trotz bietet. Eine Art von Genie aber entwickelte er in seinem Verkehr mit dem Publikum. Von einer seiner Meßreisen hatte er eine acht Fuß hohe Spieluhr mitgebracht, die fünf Lieder spielte. Wollte nun eine wohlhabende Bauernfrau, die nach seiner Meinung noch nicht genug gekauft hatte, den Laden wieder verlassen, so zog er an der Uhr, die sofort »Schöne Minka, du willst scheiden« zu spielen begann. Die Frau blieb nun, um weiter zu hören, und fiel als Opfer ihrer Neugier oder ihres musikalischen Sinnes. Als die Uhr defekt geworden war, schaffte er statt ihrer eine Schwarzdrossel an, die in gleicher Lage pfeifen mußte:
     
    Mein Schätzchen, mein Schätzchen, kommst immer her
    Und bringst mir gar nichts mit?
     
    Der schon vorerwähnte Kauf der Wustrauer Wiesen erfolgte gegen 1840 und legte, wenigstens nach damaligen Begriffen, das Fundament zu wirklichem Reichtum. Was bis dahin erworben war, bedeutete nicht viel mehr als eine mittlere Wohlhabenheit. Im Luch aber lag ein Schatz. Erst von jenem Zeitpunkt ab hob sich, mit der finanziellen Lage des Besitzers, auch der Torfbetrieb überhaupt. In unseren residenzlichen Heizungsverhältnissen bildet übrigens der Torf, wie hier parenthetisch bemerkt werden darf, nur eine »Episode«, die rapid ihrem Abschluß entgegen geht. Anfang dieses Jahrhunderts begann sie zu blühen, und ehe hundert Jahre um sein werden, wird sie gewesen sein. Wie bei der Newcastler Steinkohle, so ist auch beim Linumer Torf sein Ende vorausberechnet.
    Aber zurück zu unserem Christian Gentz.
    Etwa 1855 schied er aus den Geschäften, dieselben seinem jüngeren Sohne Alexander (s. das Kapitel Gentzrode) überlassend. In einem am »Tempeltore« gelegenen Garten, unter den Bäumen des Walls, verbrachte er mit Vorliebe seine Tage, ländlichen Beschäftigungen hingegeben, die nur, von 1857 ab, durch häufige Nachmittagsfahrten auf das in Gründung begriffene Gut und dann und wann auch durch weitere Reisen unterbrochen wurden. Die weiteste dieser Reisen ging nach Paris, wo sein älterer Sohn, der Maler Wilhelm Gentz, damals lebte. Völlig umgewandelt, wenigstens in seiner äußeren Erscheinung, kam er von dieser Reise zurück. Er trug einen eleganten Anzug aus dem Schneiderkunstatelier von Dusantoy, dazu einen langen, weißen Bart und einen Fez. In diesem Aufzuge verblieb er auch bis an sein Lebensende, mit Ausnahme der Dusantoyschen Schöpfung, die, selbstverständlich, einige Jahre später durch bescheidenere Produkte heimischer »Ateliers« ersetzt werden mußte. Seines weißen Bartes war er ganz besonders froh und widerstand allen Aufforderungen ihn abzulegen. »Ich habe lange genug einem hochlöblichen Publikum gedient und einen Philisterbart getragen; nun will ich endlich frei sein und einen Demokratenbart tragen.«
    Dies führt uns auf seine Gesinnung, auf sein Glaubensbekenntnis in politischen und kirchlichen Dingen. Personen, die sich aus dem Nichts emporarbeiten,

Weitere Kostenlose Bücher