Wanderungen durch die Mark Brandenburg
deshalb aushelfen und uns wieder ins Geleise bringen.
Ein solcher Hauslehrer ward in der Person eines Kandidaten der Theologie gefunden. Er hieß Dr. Paetsch, war Privatdozent an einer Universität gewesen und anfangs der dreißiger Jahre Hilfsgeistlicher des Ruppiner Superintendenten Bientz geworden, von dem er dann, bei B.'s endlichem Hinscheiden, eine ganze Galerie langer Pfeifen geerbt hatte, die nun als Schmuck an den Wänden seines Zimmers hingen. Lange freilich paradierten sie da nicht, wurden vielmehr auf unseren Rücken zerschlagen. Das dadurch erzielte Resultat war aber auch ein glänzendes, insoweit es uns zu durchaus folgsamen Kindern machte. Wir liefen keinen Schritt mehr über den Rinnstein vor dem Hause, der die Grenze bezeichnete, bis wohin wir gehen durften. Dr. Paetsch war streng, worunter indes unsere Liebe zu ihm nicht litt. Ich brachte ihm gern des Morgens den brennenden Fidibus ans Bett, da seine Gewohnheit war, vor dem Aufstehen eine Pfeife Tabak zu schmauchen. Er fand, daß ich gut schreiben konnte, weshalb ich seine Briefe an die hohen Herrschaften, an den König und verschiedene Prinzen und Prinzessinnen, abschreiben mußte, denen er seine in Ruppin gehaltenen und dann in Druck gegebenen Predigten schickte. Er empfing dafür einen Dukaten, und wenn es sehr hoch kam, einen Doppellouisdor. Übrigens soll er in Ruppin die besten Predigten gehalten haben, was freilich nach dem damaligen Stande der Ruppiner Predigerkunst nicht viel sagen will. Während seiner Privatdozentenjahre, weil er neben dem Tabak auch eine Passion für edle Getränke hatte, war sein ererbtes Vermögen von ihm aufgezehrt worden. Später ward er Pastor in Rudow, wo ich ihn mal von Ruppin aus in den Ferien zu Fuß besuchte. Wie er als Hirt seine Gemeinde geführt, weiß ich nicht. Den Pfarrgarten verwaltete er so, daß bald kein Obstbaum, kein Stachelbeerstrauch mehr übrig blieb, weil bei der Unausreichendheit seiner Kircheneinnahmen für Holz und Torf alles in den Ofen wandern mußte. Seiner Richtung nach war er, wie sonst im Leben, auch auf religiösem Gebiet ein Schöngeist und für Schleiermacher enthusiasmiert. Während der Predigtzeit durften wir nicht ins Freie gehen – sonst aber unterließ er es, auf unser religiöses Bewußtsein einzuwirken.
Meine Hauptlektüre bestand damals in Reisebeschreibungen. Ein besonderes Entzücken gewährten mir die afrikanischen Entdeckungsreisen ins Kapland von Le Vaillant und besonders die von Mungo Park am Niger, nach Timbuktu hin, ein Buch, darin ich noch vor kurzem mit Vergnügen geblättert habe. Als Quartaner las ich viel über Ägypten, infolgedessen ich meiner Mutter auf ihre Frage ›was ich werden wollte‹ zuversichtlich erklärte, daß ich vorhätte, nach Kairo zu gehen und die Pyramiden zu erforschen. Ja, ich fing an, Geld zu sparen, um seiner Zeit die Reise beginnen zu können.
Schinkel besuchte um diese Zeit jährlich seine Schwester in Ruppin und kam auch mal ins Haus meines Vaters, was darin seinen Grund haben mochte, daß eine Nichte von ihm mit einem Bruder meiner Mutter verheiratet war. Trotz meiner Jugend ist mir doch seine Erscheinung unvergeßlich im Gedächtnis geblieben.
Einige Jahre später saß ich, eine Nacht hindurch, mit Christian Rauch im Postwagen zusammen (zwischen Halle und Potsdam), und auch seine Züge prägten sich mir ein, ja, ich erinnere mich noch einiger seiner Gespräche. Durch einen Ruppiner Landsmann, der in seinem Atelier Dienste tat, fand ich Gelegenheit, seine Werkstatt zu besichtigen und bekam sogar die Rauchsche Goethestatuette geschenkt, die ich nun, wie ein Kleinod, mit heimnahm und während der Nachtfahrt von Berlin nach Ruppin in dem unbequemen Marterwagen keinen Augenblick aus den Händen ließ. Die Statuette, die ich noch besitze, habe ich oft, wenn ich aus der Schule nach Hause kam, mit Freude betrachtet.
Als Sekundaner benutzte ich die Ferien, um, der Sixtinischen Madonna halber, zu Fuß nach Dresden zu wandern. Ich hatte gelesen, daß das Bild von Raphael das schönste der Welt wäre. Welch Genuß mußte es sein, dasselbe zu sehen! Bilder auch zu verstehen, schien mir selbstverständlich. Ich war daher verwundert, daß mir andere Bilder der Galerie noch besser gefielen. Sie lagen wohl meinem Verständnis näher. Und als etwas Eigentümliches muß ich es auch ansehen, daß mir die Elginschen Abgüsse der Parthenonfiguren des Phidias schon damals einen sehr großen Eindruck machten. Vielleicht trug die Liebe für klassisches
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