Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nach so unterstützungsbedürftig wie nur möglich. Nichtsdestoweniger erscheint Berolina, angetan mit Lorbeer und Mauerkrone, um der wohlkonservierten aber nackten Schwester ihr Gabenfüllhorn entgegenzutragen. Es scheint jedoch, daß jene (Berolina) beim Anblick der Schwester wieder schwankt und erst auf das Erscheinen der Menschenliebe wartet, die denn auch schließlich, halb zuredend, halb tatsächlich drängend, die Zögernde weiter vorwärtsschiebt. Diese drei Figuren bilden die eine Gruppe, neben welche sich, gut miteinander verbunden, eine zweite Gruppe stellt. Die zwischen Wolken ruhende Hoffnung (in Wahrheit eine Pompadour, die sich auf Polstern streckt) zeigt auf die Porträtbüste Friedrich Wilhelms II., Palmen wachsen rätselhaft dazwischen und zu Häupten schweben Engel, die, jeder Askese los und ledig, in nächster verwandtschaftlicher Beziehung zu Amor und Amoretten stehen.
Ein wunderliches Blatt: sinnreich, amüsant und von guter Technik, vor allem auch (was ich nicht gering anschlage) kühn und naiv zugleich. Im ganzen aber, trotz dieser und anderer Vorzüge, wenig erquicklich, mehr Karikatur als Kunst, und interessant allein in seiner Verschmelzung von Genie und Philistrosität, von künstlerischer Freiheit und politischer Befangenheit.
Chodowiecki gilt als ein Meister ersten Ranges, und das Rokoko, das er vertritt, tritt eben jetzt wieder in die Mode. Gut; ich unterwerfe mich den Tatsachen, den Konsequenzen einer natürlichen Entwicklung. Und doch wäre es hart, wenn es hundert Jahre nach Schinkel wieder dahin käme, daß die Berolina (die »Menschenliebe« wie eine Stoßlokomotive hinter sich) der nackt in Asche daliegenden Ruppina das Füllhorn ihrer Gnaden in Gestalt einer Pfefferkuchentüte darbringen und dabei der künstlerischen Zustimmung des Zeitalters sicher sein dürfte.
13. Am Wall
Hier ist all mein Erdenleid
Wie ein trüber Duft zerflossen;
Süße Todesmüdigkeit
Hält die Seele hier umschlossen.
Lenau
Um die Stadt her, zwischen dem Rheinsberger und dem Tempeltor, zieht sich der mehrgenannte »Wall«, ein Überrest mittelalterlicher Befestigungen, jetzt eine mit alten Eichen und jungem Nachwuchs dicht bestandene Promenade der Ruppiner.
Die Septembersonne tut ihr Bestes. Aber das Laub ist doch noch dicht genug, ihr den Zutritt zu wehren; ein Dämmer liegt auf den Steigen und nur nach rechts hin, zwischen den Stämmen hindurch, blitzt es und flimmert es um einen ummauerten Park, dessen eine Seite bis an die Böschung des Walles tritt.
Es lockt uns aus dem Dunkel ins Helle, die Parkpforte steht weit auf und an der sonnigsten Stelle Platz nehmend, saug' ich das Licht ein, um das Frösteln loszuwerden, das mich auf der schattigen Wallpromenade beschlichen.
Entzückend Bild! Aus dem Rasengrunde vor mir wachsen allerlei Hagebuttensträucher auf, kahl und windzerfahren. In diesem friedlichen Augenblick aber hängen die roten Früchte still am Gezweig, und zwischen den Ästen spannen sich Spinneweben aus und schillern in allen Farben des Regenbogens. Hinter dem Buschwerk eine Mauer und hinter der Mauer Gemüsegärten mit Dill und Dolden in langen Reihen, und dann Stoppelfelder weit, weit, und am Horizont ein duftiges Blau und in dem Blau der schwarze Schindelturm einer Dorfkirche.
Der Blick schweift darüber hin, aber immer wieder kehrt er bis in die nächste Nähe zurück und weilt auf einem Rasenteppich, der sich in Falten legt, als wären hier Beete gewesen, Beete, die neuerdings der gleichmachende Rasen unter seine Hand genommen. Hier und da eine Zypresse, halb verwildert, halb eingegangen, und daneben ein Stein, der aus dem Grase eine Hand hoch aufragt. Und nicht der Zufall warf ihn hierher. Erst kaum erkennbar in dem Moose, das ihn umkleidet, erkenn' ich jetzt seine scharf behauene Kante. Die sagt, was es ist.
Und wäre noch ein Zweifel, die seitab gelegene zweite Hälfte des Parkes würde mir Gewißheit geben. Unter den Bäumen hin und nur halb in ihrem Blätterschatten geborgen, erheben sich die Wahrzeichen solcher Stätten: Urnen und Aschenkrüge, Gitter und Grüfte, zerbrochene Säulen und rostige Kreuze. Und an den Kreuzen nur zweierlei noch sichtbar: ein Schmetterling und die gesenkte Fackel. Halb erblindet beides. Aber die sich neigende Sonne goldet es wieder auf.
Ein Sonntag ist's, und über die Feldwege hin ziehen geputzte Menschen; die Kinder verlaufen sich in den Stoppelacker, um die letzten Blumen zu pflücken, und von rechts her, wo ein Gasthaus
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