Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Seite, den Rest des Weges zurückzulegen.
Und siehe da, während er noch so sprach, war man bis auf hundert Schritt an einen hoch in Schilf stehenden Sumpf gekommen, den die nicht länger mehr in Zucht und Ordnung gehaltenen Hunde sofort umspürten und umwitterten. Philipp von Quitzow eilte so rasch wie möglich den Hunden nach, um zu sehen, was es sei, und ward alsbald einer Wildsau gewahr, die sich mit klaffendem Rachen und glühenden Augen vor ihm aufrichtete, wenig bekümmert um die Rüden, die von allen Seiten her auf das Tier losfuhren. Philipp, einigermaßen erschreckt, suchte den Rest der Jagdgesellschaft wieder auf und erzählte, was er gesehen. Als er bei seiner Rückkehr aber verhöhnt und ein Feigling gescholten wurde, lief er in Aufregung nach der Sumpfstätte zurück, zog sein Weidmesser und stürzte sich auf das Wildschwein. Dabei glitt er zu seinem Unheil aus und wäre verloren gewesen, wenn ihm nicht der rasch hinzueilende Vater das Weidmesser aus der Hand gerissen und den Kampf mit dem Tiere nun seinerseits aufgenommen hätte. Des Alten Absicht ging ersichtlich dahin, dem Wildschwein die Faust in den Rachen zu stoßen und das Messer dabei so zu halten, daß das Tier, beim Zuschnappen, die Klinge sich in den Schlund pressen mußte; leider aber mißlang das Wagnis, das Messer glitt seitwärts und die vorderen Zähne des Schweines zermalmten furchtbar des Ritters Hand und Arm. Was half es, daß sich inzwischen die ganze Jagdgesellschaft herangedrängt und den Alten aus seiner mißlichen Lage befreit hatte? Die rechte Hand bildete nur noch einen unförmigen Stumpf und der Silberring war fort. In tiefer Niedergeschlagenheit legte man die letzte Strecke des Weges zurück und bettete den Alten auf sein Lager. Hier litt er unsäglich und als der andere Morgen da war, befahl er, einen Priester aus Lenzen zu holen. Und nun war es just wie damals, wo der Vater ihm und seinem älteren Bruder seine Sünde bekannt hatte. Denn kaum, daß der Priester erschienen, so mußte der Sohn mit hinzutreten und hörte nun die Beichte von dem Brudermord. Die Nacht darauf aber, als er mit seinem Sohne Philipp allein war und wohl fühlte, daß es zu Ende gehe, schob er sich in die Kissen höher und sagte: »Ja, Philipp, die Wildsau, das war der Teufel. Ich hab es deutlich an den Glutaugen und an dem heißen Atem gespürt. Und der Ring ist hin. Und ist auch gut so. Denn der Name der ›Quitzows mit dem Silberringe‹ hatte keinen guten Klang mehr, seitdem ihn erst mein Vater und danach ich selber entwürdigt hatte. So entweiht, hätte der Silberring unserem Geschlechte keinen Segen mehr gebracht. Und so will ich es denn mit einer frommen Stiftung versuchen, aber nicht von dem ›Judengelde‹. Nein, nimm das, was ich sonst noch gespart, und laß das Röhricht abschneiden an der Sumpfstelle, wo der Teufel mich zu Tode getroffen, und laß Stein und Sand aufschütten und wenn du festen Baugrund hast, dann baue ein Pfarrhaus darauf, das der Eldenburger Gemeinde bis diese Stunde gefehlt hat, und zum Unterhalte nimm Peter Rogges Hof und laß das alles bestehen zu bleibender Erinnerung an mein Verbrechen und meine Reue.«
Dieselbe Nacht noch ging Kurt Dietrich heim und Philipp von Quitzow legte den Grundstein zu der Eldenburger Pfarre. Die Pfarre selbst aber (mehrere kleine Gemeinden umfassend) empfing den Namen der »Pfarre zu Seedorf«, weil sie, nach Art einer Flußinsel, zwischen Löcknitz und Elde gelegen ist. Da steht sie bis diesen Tag als einziges Überbleibsel von dem Wirken und Walten eines alten Rittergeschlechts und erzählt, »daß die Sünde der Leute Verderben«, aber bekundet zugleich auch das andere, versöhnungsreiche Wort: »Lasset uns Gutes tun, solang es noch Zeit ist, allermeist aber an des Glaubens Genossen.«
15. Kapitel
Die Johannisnacht in der Kirche zu Seedorf
Rühstädt ist die Ruhstätte der Familie (war es wenigstens), aber ihre »nächtliche Heerschau« haben die Quitzowschen Toten in der Kirche zu Seedorf. Da ruht Kuno Hartwig III. aus der Eldenburger Linie, Sohn oder Enkel Philipps, gestorben als ein Komtur des Johanniterordens, und in der Johannisnacht steigt er, in dem schwarzen Johannitermantel mit dem achtgespitzten Kreuz, aus seinem Grabe. Dann kommen alle Quitzows zusammen, »viele blanke Kerle«, wie sich das Volk erzählt, und haben ihren »Tag« und ihre Familienandacht. Und Kuno Hartwig, als Patron und Ordensherr, wartet seines Amtes und empfängt alle die, die herzukommen, in der
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