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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ausgespielt.«
    Das sind die letzten Worte, die sich über diese »cause celèbre« finden.
    Die Geheimrätin hatte viel Ärgernis mit sich geführt, fast so viel wie der »Vetter in Häsen«, aber trotz dieser und ähnlicher Zwischenfälle waren es im ganzen doch glückliche Tage, diese Tage nach der Übersiedelung, am glücklichsten, wenn die Dankelmanns auf Besuch eintrafen: Eltern und Kinder, Hauslehrer und Bonne, Gesellschafterin und Dienerschaften. Da verkehrte sich denn freilich die Ruhe des Hauses in ihr Gegenteil, aber ohne daß der alte Freiherr, in seinem stark ausgeprägten Familiensinn, einen Anstoß daran genommen hätte. Zu besonderer Freude wurde ihm dabei das immer wachsend gute Verhältnis zwischen Sohn und Enkel, die (beinahe gleichalterig) am Vormittage dieselben Schulstunden, am Nachmittage dieselben Spielstunden hatten. Und wenn die Tischglocke läutete, so bewahrheitete sich's an jedem neuen Tage, »je länger die Tafel, desto besser die Laune.«
    Das ganze Leben aber, ob es nun stiller oder bewegter verlief, trug den Stempel einer vollkommenen Patriarchalität, an der uns nichts begreiflicher erscheint, als daß sie der alte Freiherr gegen ein öffentliches oder gesellschaftliches Leben nicht austauschen mochte, das ihm widerstand und in seiner Sitten- und Gesinnungslosigkeit auch widerstehen mußte. Denn es war eine wirklich grundschlechte Zeit, und Mirabeau hatte richtig prophezeit, als er das damalige Preußen »eine vor der Reife faul gewordene Frucht« genannt hatte, »die beim ersten Sturm abfallen werde«. Wenn es nun freilich auch nicht wahrscheinlich ist, daß unser Liebenberger Einsiedler ähnliche, den Politiker bekundende Schlüsse zog, so war er doch andrerseits ein so scharfer Beobachter unserer Schwächen überhaupt, daß ihm ein intimer Verkehr mit den Menschen eigentlich schon um dieser scharfen Beobachtung willen unmöglich gemacht wurde. Was an eitler und selbstsüchtiger Regung in den Herzen steckte, lag offen vor ihm, und unter den vielen Hunderten seiner Briefe sind wenige, die nicht, an irgendeiner Stelle, von dieser allereindringlichsten Erkenntnis ein Beispiel gäben. Er kannte den ganzen Adel, am besten den märkischen, schlesischen und niederrheinisch-westfälischen, und wenige Familien abgerechnet, die, wie die Reckes, die Reuß, die Lestocqs, ihm einen unbedingten und gern dargebrachten Respekt abnötigten, richtete sich der Stachel seiner Satire so ziemlich gegen alles, was damals »die Gesellschaft« ausmachte. Und ich fürchte mit Fug und Recht. Einige Zitate mögen auch nach dieser Seite hin seine Schreibweise charakterisieren.
    »In Berlin hab' ich gestern den General von Köhler gesprochen. Er ist wohl und vergnügt und tut eine Mahlzeit für zwei. Jedenfalls macht er den Eindruck, als ob er seine Pension noch auf lange hin zu genießen wünsche.«
    »Gestern war denn auch der Kammergerichtsrat Roitsch hier. Er gefiel mir in seinen Ansichten ganz gut, erschien mir aber in dem beständigen Ajustieren seines Haars und seiner Halskrause von seiner Figur etwas eingenommen.«
    »In diesen Tagen hab' ich einen Major von Schuckmann, der ein Landwehrbataillon kommandiert, bei mir gehabt. Er ist ein Bruder des Geheimen Staatsrats gleichen Namens und eine wahre Karikatur: kurz, dick, ängstlich, stets in Verfassung einzuschlafen und äußerst dämlich.«
    »Etwas Sonderbareres als die Todesanzeige, die mir der Freiherr von Loë nach dem Ableben seiner Frau zugeschickt hat, hab' ich lange nicht in Händen gehabt. Der Druck der Annonce (fast in Mönchsschrift) ist absurde, der Inhalt noch absurder. Die Titulaturen passen nur auf die Eitelkeit dieses Herrn und stellen ein Machwerk her, wie man es in unsern Zeiten nicht mehr erwarten sollte. Vielleicht hat Herr Geheimrat Focke auch so ein Unding bekommen. Befrag' ihn doch, mit bestem Gruße von mir, ob man darauf antworten müsse? Sagt er ›ja‹, so könnte ich vielleicht anfangen: Le Sieur de Hertefeld, ni Senateur, ni Comte, ni Chevalier, ni Grand Croix, a vu avec douleur etc.«
    »Eine Geschichte, die hier viel Aufsehen macht, ist folgende. Du weißt, daß die Kosaken den westfälischen Gesandten, Herrn von Linden, aufgefangen und unter den Papieren desselben eine bedenkliche politische Korrespondenz der Töchter des Ministers von der Goltz mit eben diesem von Linden gefunden haben. Die Gräfin von Lüttichau (so heißt glaub' ich eine der Töchter) soll die schuldigste sein. Der Linden ist hier als ein äußerst

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