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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Rache. Die Polizei forscht den Exzedenten nach, ohne sie bis jetzt finden zu können. Aber wehe ihnen, wenn sie gefunden werden. Denn der König ist begreiflicherweise voll Entrüstung über einen Hergang, der sich unmittelbar gegen ihn selber richtet.«
    Einem ablehnenden Tone derart begegnen wir überall, und so kann es nicht überraschen, daß der Schreiber dieser und ähnlicher Briefe noch einmal an den Rhein zurückging, um gegen alle »Hoflust« gesichert zu sein. In Liebenberg aber ließ er nicht bloß einen Pächter zurück, »der Artigkeit und Devotion mit Wahrnehmung eigener Vorteile geschickt zu verbinden wußte«, sondern räumte die leerstehenden Zimmer auch dem Obersten von Cocceji (Neffen des Großkanzlers) ein, einem alten Sonderlinge, der überall, wo die Briefe seiner Erwähnung tun, um seiner enormen Grandezza willen, als »Sa Majesté, le Colonel de Cocceji« vorgestellt zu werden pflegt.
     
    *
     
    Friedrich Leopold war nun wieder in seiner Cleveschen Heimat, die wenn nichts Besseres, so nahm er an, ihm wenigstens Zurückgezogenheit und Stille bieten sollte. Doch es gestaltete sich anders, und wenn er sich aus der Hoflust heraus und in die Ruhe hinein gesehnt hatte, so mußte er bald wahrnehmen, daß diese Ruhe jenseits des Rheins noch weniger anzutreffen war, als diesseits. In dem französisch gewordenen Lande mehrten sich die Trakasserien und als er eines Tages ein ihm angetragenes Ehrenamt, aus dem sich später ein »Senateur de l'Empire« entwickelt haben würde, zurückgewiesen hatte, war ihm klar erkennbar, daß seines Bleibens unter den neu-französischen Gewalthabern nicht länger sein könne.
    Dieses Erkennen war es denn auch, was ihn 1802 nach Liebenberg zurückkehren ließ, und zwar nicht mehr »versuchsweise«, sondern umgekehrt, mit dem von nun an festen Entschluß, ein für allemal auf märkischer Erde bleiben zu wollen. Er richtete sich demgemäß auch ein und intendierte sofort allerhand Reformen, hielt es aber doch für klug, ehe er zu wirklicher Änderung der vorgefundenen Zustände schritt, diese Zustände vorher sorglich zu beobachten. Ein Jahr erschien ihm dazu Zeit genug, nach dessen Ablauf er denn auch wußte, was zu tun sei. Die Wirtschaft erschien ihm altmodisch und vernachlässigt, weshalb er ihre Führung selber übernahm. »Ich habe Schreyer«, so schrieb er an Alexandrine D., »aus der Pacht entlassen und ihm 9400 Taler für Super-Inventarium und Vorräte gezahlt. Er konnte keinen besseren Zeitpunkt finden, weil alles jetzt in doppeltem Werte steht.«
    Aber dies Entlassen des Pächters aus der Pacht war nur eins. Auch in seiner eignen unmittelbaren Umgebung gefiel ihm nicht alles, und er zeigte sich gewillt, auch hier eine Reform eintreten zu lassen.
    Als erstes Opfer fiel »die Hohendorff«, ein adliges Fräulein, das schon zu Lebzeiten der Frau von Hertefeld dem Hause zugehört und sich namentlich unmittelbar nach dem Tode derselben unentbehrlich zu machen gesucht hatte. Nicht ohne zeitweiligen Erfolg. Aus ihrem weiteren Leben aber erlaubt sich der Schluß, daß sie dabei von ziemlich selbstsüchtigen Motiven geleitet wurde. Der alte Freiherr durchschaute dies und schüttete darüber sein Herz aus. »Ich fühle mich der Hohendorff, wegen ihrer früheren Dienste, wirklich verpflichtet, es bleibt aber dabei, daß es schwer mit ihr zu leben ist. Immer ist sie krank, will es aber nicht wahr haben, und gefällt sich in diesem Heldensinn.« Und an andrer Stelle: »Ich mag nicht geradezu behaupten, daß es ihr an gutem Herzen fehlt, auch weiß sie sich in Gesellschaft gut genug zu benehmen. Aber an allem andren gebricht es ihr, und Einsicht, richtige Menschenbeurteilung und Unterscheidungskraft wird sie nie bekommen.« In der Tat, ihr nervös aufgeregtes, altjüngferlich verschrobenes Wesen, in das sich vielleicht auch stille Hoffnungen mischten (wenn diese nicht die Wurzel alles Übels waren) machte schließlich ein längeres Zusammenleben mit ihr unmöglich, und sie wurde zu benachbarten Predigersleuten in Pension getan, aus welcher Abgeschiedenheit sie zehn Jahre später noch einmal erscheint, inzwischen in völlig »hysterisch-pietistische Verrücktheit« verfallen.
    Es blieb aber nicht bloß bei der Hohendorff, und im Spätsommer 1803 war überhaupt ein aus neuen Elementen bestehender Kreis geschaffen, der nun durch viele Jahre hin ausdauerte.
    Genauer angesehen, war dieser Kreis ein doppelter, und zwar ein äußerer und ein innerer. Der äußere bestand aus dem

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