Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
Hier senkten sich tiefer und fester in sein Gemüt die Lebensansichten und Grundsätze, die den innern Frieden bewahren. Sein patriarchalischer Sinn, hier fand er Genüge.«
Wann er zuletzt an dieser Stelle war, ist nicht verzeichnet; wahrscheinlich im Herbst 1839. Im Mai des folgenden Jahres, als mit dem Frühling draußen ein frisches Leben nicht wiederkommen wollte, sprach er mehr als einmal: »Wenn ich nur nach Paretz könnte!« Hoffte er Genesung, oder wollte er Abschied nehmen von der Stätte stillen Glücks? Gingen seine Gedanken zurück bis an den 20. Mai 1810?
Wer sagt es? Als das nächste Erntefest kam, war alles vorüber. Eine stillere Stätte hatte ihn aufgenommen als selbst Paretz.
Paretz seit 1840
Am 7. Juni 1840 war Friedrich Wilhelm III. aus dieser Zeitlichkeit geschieden; Paretz, samt den zwei angrenzenden Schatullegütern Uetz und Falkenrehde, fiel dem Thronfolger, Friedrich Wilhelm IV., zu; 1862, nachdem auch dieser aus der Unruhe in die Ruhe gegangen war, kam der schöne, erinnerungsreiche Besitz an den jetzigen Kronprinzen.
Die Glanztage von Paretz sind nicht wiedergekehrt, und sie werden kaum wiederkehren. Es bedurfte des eigenartig-scheuen Charakters Friedrich Wilhelms III., um diesen Platz über sich selbst zu erheben. Ein rechter »out-of-the-way-place«, hindert ihn jetzt seine Abgeschiedenheit ebensosehr, wie ihn dieselbe einst zu ungeahnten Ehren führte. Was ihn jetzt noch hält, ist Pietät, Haustradition – nur das Wohlwollen der »neuen Herrschaft« ist ihm geblieben. Alle zwei Jahre, am Geburtstage des Kronprinzen, werden die Dorfkinder neu eingekleidet: die Knaben erhalten des »Königs Rock«, der Uniform des 24. Landwehrregiments nachgebildet, während die Mädchen in russisch-grünen Tibetkleidern ihren Umzug halten.
Das Wohlwollen gegen die Paretzer ist das alte geblieben. Aber Paretz selbst ist nicht mehr, was es war. Kein Sehnsuchtspunkt mehr, nur noch ein Punkt für Erinnerung und stille Betrachtung.
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General von Köckritz mochte wohl so schreiben. Dieser liebenswürdige Mann (den Stein wohl zu hart beurteilt hat, denn »niemand ist verpflichtet, ein großer Mann zu sein«) stand damals auf der Höhe seiner Gunst und seines Ansehens. Es war so recht eigentlich die Köckritz-Epoche. In diese Epoche fällt auch die seinerzeit viel bewunderte Geschichte vom »Pfeifchen und Fidibus«, die beide dem überraschten General, einem leidenschaftlichen Raucher, von der Königin präsentiert wurden. Wir übergehen diese Anekdote nicht nur deshalb, weil sie oft erzählt worden ist, sondern viel mehr noch aus ästhetischen Bedenken, weil sie einen Hergang festzuhalten trachtet, der als Erlebnis reizend, als Plauderanekdote, über den Tisch hin, annehmbar, aber als gedruckte Geschichte mindestens entbehrlich ist. Schwarz auf weiß macht schwerfällig und entzaubert manches. Man kann dreist behaupten, die Helden, die durch solche oder ähnliche Anekdoten glorifiziert werden sollen, haben unter ihnen zu leiden, wie unter einer Jugendtorheit. Es gilt hier fein zu unterscheiden. Dieselbe Geschichte, die, auf einem Jungen-Damen-Kaffee vorgetragen, ein ungeteiltes und berechtigtes Entzücken weckt, wird sich in einem Zeitungsblatt etwas insipide ausnehmen, und die bejubeltste, als unbedingt »bester Witz der Neuzeit« proklamierte Jagd- und Portweinanekdote wird am besten tun, auf Darstellung in Typen ganz zu verzichten. [Image: Zurück]
Allerhand Spiele: Turnen, Wettlaufen, waren an der Tagesordnung; die Sieger wurden beschenkt. Unter Anleitung der jungen Prinzen Karl und Albrecht kam die Bildung einer Art Paretzer Legion. zustande, die im Feuer exerzierte und manövrierte, wobei sieben kleine Kanonen benutzt wurden, von denen eine, mit dem Greif und der Jahreszahl 1588, bis diesen Tag unter den Dörflern existiert. Bei einer bestimmten Gelegenheit – es mochte um 1820 sein, als die »Russen« einen ihrer Sommerbesuche machten – kam es zu einem vollständigen Gefecht zwischen der Paretzer Legion und den Zöglingen des Potsdamer Militärwaisenhauses, die nach Paretz hinaus befohlen und mit ihren Waffen erschienen waren. Die Legionäre nahmen ihnen, in einem unbewachten Augenblick, die Waffen fort, bezogen unter Führung und Anfeuerung des Großfürsten eine Art Waldposition und behaupteten sich im Besitz ihrer Beutestücke. Der König folgte der Bataille mit dem lebhaftesten Interesse und meinte schließlich: »die Dorfluft scheine doch derber zu machen«.
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