Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland
ebenbürtigen Neubesitz stiften, oder aber – und das ist das Häufigere – es sind Geldleute , Städter , Repräsentanten einer modernen Zeit, die den Handels- und Industriegeist in die Landwirtschaft hineintragen. Der Bauer folgt selten dem Beispiel; er ist stabil, er bleibt, was er ist. Wenn er nichtsdestoweniger zu spekulieren beginnt so tut er's auf seine Weise. Es reizt ihn dann weit mehr das Geld als das Wachsen der Ackerfläche. Er erweitert sich nicht innerhalb seiner eigenen Sphäre; er wird eben einfach ein anderer.
Die Familie Kaehne bezeichnet einen Ausnahmefall.
Schloß und Park, so sagten wir, sind Schöpfungen dieses Jahrhunderts.
Das Schloß , in seiner gegenwärtigen Gestalt wurde nach einem Schinkelschen Plane ausgeführt. Es zeigt eine Mischung von italienischem Kastell- und englischem Tudorstil, denen beiden die gotische Grundlage gemeinsam ist. Der Bau, wie er sich unter Efeu und Linden darstellt, wirkt pittoresk genug, ohne daß er im übrigen besonders zu loben wäre. Es ist bemerkenswert, daß alles Gotische oder aus der Gotik Hergeleitete auf unserm märkischen Boden seit Wiederbelebung dieses Stils (einer Epoche, die kaum zwei Menschenalter zurückliegt) nicht gelingen wollte. Im Beginn dieses Jahrhunderts hatten wir uns zu entscheiden, nach welcher Seite hin die Entwickelung gehen sollte; irgend eine »Renaissance« war dem herrschenden Ungeschmack gegenüber geboten, es konnte sich nur darum handeln, ob das Vorbild bei der Antike oder beim Mittelalter zu suchen sei. Schinkel selbst – was jetzt so oft vergessen wird – schwankte; der einzuschlagende Weg war ihm keineswegs von Anfang an klar. Auch er hatte eine Epoche, wo das Malerische des Gewölbebaues, wo Strebepfeiler und Spitzbogenfenster ihn reizten. Hätte er sich damals, wie das bei den rheinischen Baumeistern der Fall war, für Gotik entschieden, so würde die bauliche Physiognomie unserer alten Provinzen, Berlins ganz zu geschweigen, überhaupt eine andere geworden sein. Wir würden die Gotik, nach einzelnen gescheiterten Versuchen, aufs neue gelernt haben, wie die Rheinländer und Engländer sie wieder lernten, und beim Kirchenbau (zu dem es uns an Gelegenheit nicht gefehlt haben würde) uns wieder vertraut machend mit der alten Technik, den zerrissenen Faden der Tradition wieder auffindend, würden wir alsbald auch verstanden haben, unsern Privat bau danach zu modeln und unsere Schlösser und Landhäuser im Kastell- oder Tudorstile aufzuführen. Dies wurde versäumt, weil – so wollen wir, halb aus Courtoisie, halb aus Überzeugung annehmen – ein Besseres an die Stelle trat. Wie die Dinge liegen, wird zwar auch jetzt noch gelegentlich der Versuch gemacht, es mit der Gotik und ihren Dependenzien zu wagen; aber diese Versuche scheitern jedesmal, wenigstens für das Auge dessen, der die Originale oder auch nur das kennt, was mit immer wachsendem Verständnis unsere westdeutschen Neugotiker danach bildeten.
Auch das Herrenhaus zu Petzow ist ein solcher gescheiterter Versuch. Was daran anmutend wirkt, ist, wie schon angedeutet, das malerische Element, nicht seine Architektur. Diese, soweit man überhaupt von einer Architektur sprechen kann, datiert aus dem Anfang der zwanziger Jahre, ist also kaum fünfzig Jahre alt. Dies gilt auch besonders von den angebauten Flügeln. Und doch, als wir diese näher besichtigten, nahmen wir an den Fenstern des Erdgeschosses kunstvoll geschmiedete Eisengitter wahr, die sich unschwer auf die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurückführen ließen. Dies verwirrte uns. Das Rätsel sollte sich indes in Kürze lösen. Diese Gitterfenster wurden nämlich in Potsdam bei einem Häuserabbruch erstanden und hierher verpflanzt . Hier prangen nun die hundertfünfzigjährigen an einer erst fünfzigjährigen Front. Wir erzählen das lediglich zu dem Behuf, um zu zeigen, wie man durch Beurteilung von Einzeldingen, von denen man dann Schlüsse aufs Ganze zieht, erheblich irregeleitet werden kann. Nichts war verzeihlicher hier als ein Rechenfehler von hundert Jahren.
Der Park ist eine Schöpfung Lennés. An einem Hügelabhang gelegen wie Sanssouci, hat er mit diesem den Terrassencharakter gemein. In großen Stufen geht es abwärts. Wenn aber Sanssouci bei all seiner Schönheit einfach eine große Wald terrasse mit Garten und Wiesengründen bietet, so erblickt man von dem Hügelrücken des Petzower Parkes aus eine imposante Wasser terrasse, und unser Auge, zunächst ausruhend auf dem in Mittel höhe
Weitere Kostenlose Bücher