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Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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1. Kapitel
    D er Schock hat stets eine ebenso eisige wie ernüchternde Wirkung, vor allem, wenn er in Form einer unverhofften Begegnung mit einem Mann erfolgt, den man unlängst um Wein im Wert von drei Millionen Dollar erleichtert hat. Sam Levitt zog fröstelnd den Frotteebademantel enger um seinen Körper, der vom frühmorgendlichen Bad im Pool des Hotels Chateau Marmont noch klamm war.
    »Hier, trinken Sie das.« Der Mann auf der anderen Seite des Tisches – lächelnd, braun gebrannt und makellos gekleidet – schob Sam eine Tasse Kaffee zu. »Zum Aufwärmen. Danach würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten.« Er lehnte sich zurück und sah zu, wie die erste heiß ersehnte Tasse des Tages geleert wurde und eine weitere Dosis des belebenden Gebräus folgte, während Sams Gehirn auf Hochtouren arbeitete.
    Der Name des edlen Spenders lautete Francis »Sissou« Reboul. Das letzte Mal waren er und Sam sich in Marseille begegnet, bei einem Glas Champagner im Palais du Pharo, Rebouls hochherrschaftlichem Anwesen, das auf einer Felsenklippe thronte und eine Aussicht auf das Mittelmeer bot, die eines Milliardärs würdig war. Sam hatte im Auftrag einer internationalen Versicherungsgesellschaft nach einigen Hundert Flaschen erlesenem Bordeaux-Wein gefahndet, die aus der Villa von Danny Roth bei Los Angeles gestohlen worden waren, einem Rechtsanwalt mit einer Klientel aus dem Showbiz und einer Schwäche für edle Tropfen. Die abenteuerliche Jagd hatte Sam Levitt von der amerikanischen Westküste nach Paris, Bordeaux und Marseille geführt, wo er die kostbaren Flaschen in Rebouls geräumigem Weinkeller entdeckte. Und da er ein Mann war, der unverzügliches Handeln langen und ermüdenden Verhandlungen mit den Behörden vorzog, hatte er sie umgehend zurückerbeutet. Damit war der Fall erledigt – hatte Sam zumindest gedacht. Eine saubere Sache, bei der mit Beschwerden seitens des Opfers wohl kaum zu rechnen war. Doch das Opfer war wider Erwarten aus der Versenkung aufgetaucht, saß nun höchstselbst im Garten des Chateau Marmont in Los Angeles und benahm sich wie ein Bekannter, der sich die größte Mühe gab, ein Freund fürs Leben zu werden.
    »Vielleicht hätte ich Sie vorwarnen sollen«, fuhr Reboul achselzuckend fort. »Aber meine Maschine ist erst gestern Abend in Los Angeles gelandet – geschäftliche Angelegenheiten, die meine Anwesenheit erfordern –, und da dachte ich, ich nutze die Gelegenheit, Ihnen meine Aufwartung zu machen und bonjour zu sagen.« Er holte eine Visitenkarte aus der Brusttasche und schob sie über den Tisch. »Sehen Sie? Hier ist das kleine Souvenir, das Sie mir bei unserer letzten Begegnung überreicht haben.«
    Sam begnügte sich mit einem flüchtigen Blick auf seine eigene Visitenkarte, deren stilvolle Gestaltung ihm natürlich vertraut war. »Nun, Mr Reboul …«
    Der Franzose winkte lässig ab. »Ich bitte Sie. Sagen Sie Francis zu mir, und ich werde Sie Sam nennen, wenn es recht ist. Das klingt weniger förmlich, non? « Er nickte lächelnd, als fände er den Gedanken an ein entspanntes Miteinander erheiternd. »Ich möchte Ihre Zeit nicht verschwenden, deshalb werde ich gleich auf den Punkt kommen.« Er trank den letzten Schluck Kaffee und schob die Tasse samt Unterteller mit einem tadellos manikürten Zeigefinger beiseite. »Fakt ist, die geschäftliche Angelegenheit, die mich nach Kalifornien führt, sind Sie.«
    Reboul hielt inne und zwinkerte Sam verschwörerisch zu, bevor er fortfuhr. »In Marseille ist eine Situation eingetreten, die eines Mannes – im Idealfall eines Amerikaners, wie Sie gleich sehen werden – mit besonderen und ziemlich ungewöhnlichen Talenten bedarf. Und angesichts unseres früheren Zusammentreffens scheint es mir, als wären Sie genau der Richtige für diese Aufgabe. Was würden Sie zu ein paar Wochen in Marseille sagen? Die Stadt zeigt sich zu dieser Jahreszeit, bevor die sommerliche Bruthitze einsetzt, von ihrer angenehmsten Seite. Ich könnte Ihnen einen außerordentlich anregenden und höchst lukrativen Aufenthalt garantieren.«
    So gleichmütig Sam sich auch gab, war er doch überrascht und innerlich aufgewühlt. Der Argwohn kämpfte mit der Neu gierde, aber Letztere trug den Sieg davon. »Lassen Sie mich raten.« Sam zwinkerte zurück. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr Vorhaben nicht ganz legal ist?«
    Reboul runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, als sei Sams Unterstellung völlig unangemessen. »Legalität ist an und für sich ein

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