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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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fordern für gut befindet. Diese Forderungen wechseln, da der letztere, mit scharfem Auge, je nach dem Grad der Gefahr, auch die Taxe bestimmt. Es kommt vor, daß der geängstigte Schiffer seine fünf Finger zehnmal erheben, das heißt also, seine Befreiung aus dem verfahrenen Défilé mit fünfzig Talern preußisch bezahlen muß.
    Die Schleppdampfer, wie hieraus genugsam erhellen wird, spielen also auf der Oderstrecke, die sie befahren, die Doppelrolle des Retters und des Tyrannen , und im Einklang mit dieser Doppelrolle ist auch die Empfindung, mit der sie seitens der Schiffer betrachtet werden. Man liebt sie oder haßt sie. Alles, je nachdem die Gefahr im Anzuge oder glücklich überwunden ist. Die am Horizont heraufdämmernde oder wieder verschwindende Dampfsäule wird erst als Hoffnungsbanner begrüßt, dann als abziehende Piratenflagge verwünscht. Dazwischen liegt die Rettung. Nichts ist kürzer als Dank. Die Kapitäne wissen das; aber als praktische Männer kennen sie keine Empfindelei und halten sich schadlos beim nächsten Fall. Sie haben zudem die ruhige Überlegenheit der herrschenden Kaste.
    Die Schiffer blicken, wie wir gesehen haben, mit geteilter Empfindung auf den Schleppdampfer – nicht so die Floßführer. Diese geben sich ungeschwächt einer einzigen Empfindung, und zwar ihrem polnischen oder böhmisch-oberschlesischen Hasse, hin. Sie können es wagen. Das Floß, das an manchen Stellen die halbe Breite der Oder deckt, kann wohl den Schleppschiffen, aber das Schleppschiff kann nie und nimmer dem Floße gefährlich werden. Wenigstens nicht ernstlich. Es liegt also kein Grund vor, weshalb sie mit ihrer Abneigung hinter dem Berge halten sollten. Und zu dieser Abneigung ermangelt es nicht an triftigsten Gründen. Die Schleppdampfer nämlich, weil sie den Flößen in Wahrheit weder nützen noch schaden können, begnügen sich damit, die reizbare slawische Natur zu nergeln und zu ärgern. Wie Reiter, die lustig durch einen Tümpel jagen, alles, was in der Nähe ist, nach rechts und links hin mit Wasser und Schlamm bespritzen, so jagen hier die Dampfer an dem schwerfällig zur Seite liegenden Floß vorüber und unterhalten sich damit, das Floß unter Wasser zu setzen. Die zur Seite gedrückte Welle eilt, immer höher werdend, auf das Floß zu; jetzt trifft sie den ersten Balken und spritzt hoch auf. Aber nicht genug damit; die Hälfte der Welle gleitet unter dem Floß hin fort, und überall da, wo eine Lücke sich bietet, nach oben tretend, setzt sie, an sechs, acht Stellen zugleich, das Floß unter Wasser. Nun sollte man glauben, die Flößer müßten gleichgültig sein gegen ein solches Fußbad; aber als wär es Feuer, sieht man jetzt die Besatzung des Floßes auf den Bäumen und Querbalken hin und her springen, als gält es, vor ihrem bittersten Feinde zu fliehen. Diese Zickzacksprünge nehmen sich ebenso komisch wie malerisch aus. Mit vielem Geschick wissen sie immer eine Stelle zu treffen, wo ein Querbalken, ein Holzblock oder am liebsten einer jener Erd- und Rasenhügel sich vorfindet, deren viele sich nicht nur über das Floß hin ausbreiten, sondern auch einen wesentlichen Teil der häuslichen Einrichtung desselben bilden. Bei dieser häuslichen oder wirtschaftlichen Einrichtung des Floßes hab ich noch einen Augenblick zu verweilen.
    Die Gesamtökonomie eines solchen Floßes besteht aus zwei gleich wichtigen Teilen, aus einem Kochplatz und einem Aufbewahrungsplatz, oder aus Küche und Kammer . Beide sind von gleich einfacher Konstruktion. Der Kochplatz, der Herd, besteht aus dem einen oder andern jener eben erwähnten Erdhügel, das heißt aus ein paar Dutzend Rasenstücken, die morgens am Ufer frisch abgestochen und wie Mauersteine neben- und aufeinandergelegt wurden. An jedem Morgen entsteht ein neuer Herd. Den alten Herdstellen aber gönnt man ihren alten Platz und benutzt sie entweder als Inseln, wenn die Wellen kommen, oder nimmt sie auch wohl, nach einigen Tagen, als Herdstelle wieder auf. Auf diesem improvisierten Herde wird nun gekocht, was sich malerisch genug ausnimmt, besonders um die Abendstunde, wenn die Feuer wie Irrlichter auf dem Wasser zu tanzen scheinen. Ebenso wichtig wie der Kochplatz ist der Aufbewahrungsplatz. Seine Konstruktion ist von noch größerer Einfachheit und besteht aus einem halbausgebreiteten Bündel Heu. Auf dieser Heuschicht liegen die Röcke, Jacken, Stiefel der Floßleute, und ausgerüstet mit diesen primitivsten Formen einer Küche und Kammer, machen die

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