Wandlung
wie irgend möglich.
»Reverend?«
Jane überlegte, ob es womöglich unkomplizierter wäre, zu öffnen und ihn dann abzuwimmeln. Zu behaupten, es gehe ihr nicht gut. Ihn zu bitten, später wiederzukommen. Viel später.
Punch probierte die Tür, aber sie war von innen mit einem Bolzenschloss aus Plastik verriegelt. Wie eine Toilettenkabine.
»Reverend? Hallo?«
Jane spuckte Tabletten und Eiscreme in ein Papiertaschentuch, zog einen Morgenmantel über und öffnete die Tür.
Da stand Punch, in einem wild gemusterten Hawaiihemd.
»Entschuldige. Hab geschlafen.«
»Rawlins schickt mich, ich soll dich holen. Er will sofort alle sprechen, in der Kantine.«
Jane ließ sich gegen den Türrahmen sacken, um sich abzustützen.
»He, Jane? Alles in Ordnung mit dir?«
Jane klappte vornüber und erbrach sich über seine Schuhe.
Punch half ihr, sich wieder aufzurichten. Sein Blick fiel auf die Tablettenpackung auf der Koje. »O Herrgott.«
Er half Jane, sich über die Toilettenschüssel zu beugen. Sie erbrach Eiscreme, dann erbrach sie Schokolade, dann ein grünes Zeug, das sie nicht wiedererkannte. Keuchend ließ sie sich auf den Boden sinken.
Punch zählte die Tabletten nach, um festzustellen, wie viele sie eingenommen hatte. »Schätze, du wirst wieder«, meinte er. »Wir sollten dich auf die Sanitätsstation bringen.«
»Darauf kann ich verzichten«, sagte Jane.
Punch spülte seine Schuhe unter dem Wasserhahn ab.
»Versprich mir, niemandem davon zu erzählen«, sagte sie.
»Jetzt bringen wir dich erst mal wieder auf die Beine.« Er half ihr auf. Wartete dann im Flur, während sie sich anzog.
»Wie sehe ich aus?«, fragte sie.
»Wisch dir die Augen ab.«
»Was will Rawlins denn?«
»Keine Ahnung, aber es klang ernst.«
02 – Ausbruch
Die Besatzungsmitglieder saßen im Halbkreis um den Plasmabildschirm in der Kantine, Bohrturmarbeiter, bärtige Grenzgänger, das übliche Gesindel auf einer Ölplattform. Sie verfolgten die Nachrichten der BBC, die Norsat von seiner geostationären Umlaufbahn über Grönland ausstrahlte.
Panzerfahrzeuge, die vor Krankenhäusern geparkt standen, Soldaten in Gasmasken an Kontrollstationen und auf Barrikaden. Wüstengelbe Einsatzfahrzeuge, die sämtliche Hauptstraßen abriegelten, als wären sie Teil einer Besatzungsarmee.
Aus einem Helikopter aufgenommenes Videomaterial von festgefahrenem Straßenverkehr. Autobahnen, auf denen nichts mehr ging. Familienkutschen, vollgestopft mit Koffern und festgezurrten Möbelstücken auf dem Dach.
Eine Hungerrevolte. Flüchtlinge, die einen Nachschublaster stürmen. Gewehrkolben, Warnschüsse. Der Berichterstatter von Sky News in einer Splitterschutzweste:
»… näherten sich der Zeltstadt, wo sie von Hunderten von verzweifelten Familien, die seit Tagen nichts gegessen haben, buchstäblich überrannt wurden. Die Truppen sind bemüht, die Lage unter Kontrolle zu halten, aber wie Sie sehen …«
»Es herrscht quasi Kriegsrecht«, erklärte Rawlins, der Anlagenmanager. »Irgendeine Epidemie.«
Rawlins war ein stämmiger Bursche mit einem Weihnachtsmannbart. Seine Erkennungszeichen: eine Con-Amalgam-Mütze, ein Thermo-Kaffeebecher, ebenfalls von Con Amalgam, sowie ein mächtiges, an seinen Gürtel geklemmtes Schlüsselbund.
»Wann zum Teufel ist denn das passiert?«, fragte Nail, ein Taucher mit kahl rasiertem Schädel und einem buschigen Holzfällerbart. Ein Hüne von einem Mann, über eins neunzig, mit mächtigem Bizeps.
»Angekündigt hat es sich schon seit ein paar Monaten. Während ihr alle den Cartoon-Sender geschaut und euern Sold auf Poker Stars verpulvert habt.«
»Terroristen?«
»Keine Ahnung.«
»Haben sie irgendwas über Manchester erwähnt?«
»Ehrlich, ich kann dir nicht sagen, was in aller Welt da vor sich geht.«
»Aber das Nachschubschiff ist nach wie vor auf dem Weg hierher, oder?«
»Aus diesem Grund habe ich euch hergebeten. Die große Neuigkeit ist: Das Schiff wird einen Monat früher eintreffen. Noch sieben Tage, dann sind wir hier weg. Die Plattform wird vollständig geräumt. Wir packen unseren Kram zusammen und schalten die Energieversorgung ab.«
»Aber wir werden doch trotzdem für einen kompletten Turnus bezahlt, oder?«
»Das ist eure geringste Sorge. Das Schiff soll Sonntag früh eintreffen. Falls in der Zwischenzeit jemand die Standleitung zum Festland benutzen möchte, weil er wegen seiner Verwandten besorgt ist, lasst es mich wissen. Ihr könnt mein Büro benutzen. Das Signal bricht immer
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