Warte auf das letzte Jahr
des einzelnen schien unwichtig zu sein. Vielleicht konnte er so dem Krieg die Schuld geben. Das würde es leichter machen.
Aber er wußte es besser.
11
Auf seinem Weg zum Lazarett, um Kathy ihren Drogenvorrat zu übergeben, blieb er mit einemmal ungläubig stehen, als ihm die zusammengefallene, kränklich wirkende Gestalt Gino Molinaris entgegenrollte. Der UNO-Generalsekretär saß in seinem Rollstuhl, die schwere Wolldecke über den Knien ausgebreitet, und seine Augen bewegten sich wie eigenständige Wesen und bannten Eric mit ihren Blicken an seinen Platz.
»Man hat Ihr Konap verwanzt«, erklärte Molinari, »und Ihr Gespräch mit Hazeltine und Bachis abgehört, aufgezeichnet und niedergeschrieben und mir eine Kopie übersandt.«
»So schnell?« gelang es Eric hervorzustoßen. Zum Glück hatte er seine eigene Sucht nicht erwähnt.
»Rausschmeißen muß man sie«, knurrte Molinari. »Sie ist ein Sternspitzel; sie würde alles für sie tun – ich weiß es. So etwas ist schon einmal vorgefallen.« Er zitterte. »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ist sie bereits von hier fortgeschafft worden; meine Beamten haben sie gepackt, sie zum Flughafen gebracht und dort in einen Kopter gesetzt. Deshalb weiß ich auch gar nicht, warum ich mich so aufrege … vom Verstand her habe ich keine Zweifel, daß wir die Situation im Griff haben.«
»Wenn Sie eine Abschrift des Gesprächs besitzen, dann wissen Sie auch, daß Miss Bachis bereits alles vorbereitet hat, um Kathy mit …«
»Ich weiß! In Ordnung.« Molinari holte keuchend Atem. Sein Gesicht war bleich, die Haut faltig, und dunkle Ränder säumten seine Augen. »Verstehen Sie jetzt, wie der Lilistern vorgeht? Setzt unsere eigene Droge gegen uns ein; das ist typisch für diese Bastarde, das macht ihnen eine Menge Spaß. Wir sollten ihre Trinkwasserreservoire damit verseuchen. Ich habe Sie hierhergeholt, und dann haben Sie Ihre Frau hereingelassen; um diesen Scheiß, diese verdammte Droge zu bekommen, würde sie alles tun – sogar mich umbringen, wenn sie es von ihr verlangen. Ich weiß alles, was über Frohedadrin bekannt ist; ich bin derjenige, der diesen Namen geprägt hat. Aus dem deutschen Wort Froh, dem lateinischen heda – gleich Vergnügen –, und drin ist natürlich …« Er verstummte; seine geschwollenen Lippen preßten sich zusammen. »Ich bin zu krank, um mich aufregen zu dürfen; ich sollte mich eigentlich von der Operation erholen. Wollen Sie mich heilen, oder wollen Sie mich umbringen, Doktor? Oder wissen Sie das etwa nicht?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Eric. Er war verwirrt, betäubt; das war einfach zuviel.
»Sie sehen schlecht aus. Das ist ein harter Schlag für Sie, ein genauso harter Schlag wie für Ihre Personalakte und Ihre Behauptung, daß Sie Ihre Frau verabscheuen – und Ihre Frau Sie. Ich schätze, Sie glauben, Ihre Frau wäre nicht süchtig geworden, hätten Sie sie nicht verlassen. Hören Sie: Jeder muß sein eigenes Leben leben; die Verantwortung für alles besitzt sie. Es war nicht Ihre Schuld. Sie hat es gewollt. Hilft Ihnen das? Fühlen Sie sich jetzt etwas besser?« Prüfend betrachtete er Erics Gesicht.
»Ich … Mit mir ist alles in Ordnung«, versicherte Eric kurz.
»Verarschen Sie mich nicht. Sie sehen genauso schlecht aus wie Ihre Frau; ich bin hinuntergefahren, um sie mir anzuschauen. Ich konnte dem nicht widerstehen. Die arme, verdammte Frau; man kann bereits erkennen, wie sehr sie schon von diesem Zeug zerstört worden ist. Und selbst wenn man ihr eine neue Leber geben und all ihr Blut austauschen würde – es wäre nutzlos; wie man Ihnen wohl schon gesagt hat, wurde das alles schon zuvor versucht.«
»Haben Sie mit Kathy gesprochen?«
»Ich? Ob ich mit einem Sternspitzel gesprochen habe?« Molinari starrte ihn an. »Ja, aber nicht viel. Während man sie hinausbrachte. Ich war neugierig, mit welcher Art Frau Sie zusammengelebt haben; Ihr Masochismus stinkt zehn Kilometer gegen den Wind, und sie hat es bemerkt. Sie ist eine Harpyie, Sweetscent, ein Ungeheuer. Genau wie Sie gesagt haben. Wissen Sie, was sie behauptet hat?« Er grinste. »Sie sagte mir, daß Sie ebenfalls süchtig sind. Sie tut alles, um Unfrieden zu stiften, hm?«
»Genau«, bestätigte Eric steif.
»Warum sehen Sie mich so an?« Molinari musterte ihn, und seine dunklen, großen Augen verrieten, daß er seine Selbstbeherrschung zurückgefunden hatte. »Es stört Sie, was ich Ihnen sage, nicht wahr? Daß sie alles mögliche tun würde,
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