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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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Neuseeland, Australien, Irland, Spanien (bis zu einem gewissen Grad), Island, Russland, Polen und zahlreichen anderen Ländern übernommen wurden. Wenn der Weltwährungsfonds von ärmeren Staaten um Hilfe gebeten wird, dann fordert er, dass dort als Voraussetzung für jegliche finanzielle Unterstützung zumindest eine Variante dieses Modells eingeführt wird. Meistens folgt, wenn diese Richtlinien übernommen werden, tatsächlich ein messbarer Anstieg des Bruttoinlandsprodukts; genauso messbar ist jedoch die zunehmende soziale Ungerechtigkeit.
    Nach Ansicht der Marxisten wieauch der antikorporatistischen und globalisierungskritischen Linken trug diese Formdes Kapitalismus schon »die Saat ihrer eigenen Zerstörung in sich«. Marx verwendete diese Formulierung im Rahmen des Arguments, dass die Arbeiterklasse, als sie in den Fabriken mehr und mehr zusammengeführt wurde, auch Gelegenheit bekam, die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft zu erkennen und sich dagegen zu verbünden. Eine etwas modernere Sichtweise wäre vielleicht, dass der Kapitalismus des freien Marktes von Natur aus zu Ungerechtigkeiten und zu einem ständigen Wechsel von Aufschwung und Niedergang neigt. Diese Zyklen sind Gegenstand zahlreicher und umfangreicher Untersuchungen. Im vorliegenden Fall können wir konstatieren, dass Theorie und Praxis übereinstimmen. Der größte Aufschwung seit 70 Jahren hat unmittelbar in die größte Krise geführt. Im übrigen Teil dieses Buches werde ich erzählen, wie es dazu kommen konnte. Aber es gab ein paar grundlegende Wegbereiter aller darauffolgenden Ereignisse, ohne die diese Explosion und Implosion in einer solchen Form nicht denkbar gewesen wären, und das waren der Fall der Berliner Mauer, der Kollaps der Sowjetunion und das Ende des Kalten Krieges.
    Es war nur selten lohnend, sich auf eine Diskussion über den Konflikt zwischen West und Ost einzulassen. Der Graben zwischen beiden Lagern war einfach zu tief, und die großen philosophischen Fragen blieben meist zugunsten der parteipolitischen Überzeugungen auf der Strecke. Für die Rechte handelte es sich bei den kommunistischen Regimen so offensichtlich um massenmordende Gefängnisstaaten, dass für weitere Debatten gar kein Raum mehr blieb. Und die Linke war genauso fest überzeugt, dass der Kapitalismus seine eigene, lange Liste von Verbrechen aufzuweisen hatte, dass er den Fetisch Kapital regelmäßig über die Bedürfnisse der Menschen stellte und dass die sozialistischen Länder im Gegensatz dazu wenigstens über eine mögliche Alternative zu diesem Modell nachdachten oder sie sogar in die Tat umsetzten, selbst wenn sie dabei falsch vorgehen mochten. Ich habe immer schon gedacht, dass beide Denkrichtungen dabei einen wesentlichen Punkt übersehen. Die Ostblockstaaten hatten gravierende und irreparableFehler, während die liberalen westlichen Demokratien die bewundernswerteste Gesellschaftsform darstellten, die es je gegeben hat. Zwischen ihnen gibt es keinerlei »moralische Gleichwertigkeit«, wie man sich damals ausdrückte. Allerdings – und hier kommen wir zu dem unbequemen Teil der These, dem Teil, der sowohl die alte Rechte als auch die alte Linke in Rage bringt – hat die Bevölkerung des Westens ihren ganz eigenen Nuttis eigenezen aus der Existenz, der Politik und aus dem Beispiel des kommunistischen Blocks gezogen. Über Jahrzehnte fand zwischen dem kapitalistischen Westen und dem kommunistischen Osten eine Art Schönheitswettbewerb statt, in dessen Verlauf beide Systeme versuchten, sich gegenseitig dabei auszustechen, wer wohl seinen Bürgern eine bessere, fairere Lebensweise zu bieten hatte. Das Resultat im Osten war Unterdrückung; im Westen war es kostenlose Schulausbildung, eine allen zugängliche Gesundheitsversorgung, wochenlanger bezahlter Urlaub und eine konstante Fortentwicklung in allen Bereichen, die mit Chancengleichheit und den Rechten des Einzelnen zu tun hatten. In Westeuropa führte die Existenz nationaler Parteien mit einer starken und ausdrücklichen Bewunderung für das sozialistische Modell zu dem großen Bedürfnis, allen zu beweisen, dass unter der Herrschaft kapitalistischer Demokratien das Leben für die Menschen besser war. In Amerika war der entsprechende Druck wesentlich geringer. Das ist auch der Grund, warum amerikanische Arbeitnehmer in den Augen der Europäer geradezu grotesk wenig Urlaub bekommen (2 Wochen pro Jahr), keine kostenlose Gesundheitsversorgung erhalten und die Lebenserwartung eines Amerikaners unter der

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