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Warum macht Sex Spaß?

Warum macht Sex Spaß?

Titel: Warum macht Sex Spaß? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Spezies«. In Wirklichkeit wirkt die Selektion aber zunächst auf einzelne Tiere oder Pflanzen. Natürliche Selektion ist nicht nur ein Kampf zwischen den Arten (ganzen Populationen), nicht nur zwischen Individuen verschiedener Arten und nicht nur zwischen Artgenossen gleichen Alters und Geschlechts. Natürliche Selektion kann auch ein Kampf zwischen Eltern und Nachkommen oder zwischen Paarungspartnern sein, wenn die Interessen von Eltern und Nachkommen oder von Vater und Mutter nicht übereinstimmen. Was Individuen eines bestimmten Alters und Geschlechts in die Lage versetzt, ihre Gene erfolgreich weiterzugeben, muß den Erfolg anderer Gruppen von Individuen durchaus nicht steigern.
     
    Während die natürliche Selektion sowohl Väter als auch Mütter, die möglichst viele Nachkommen hinterlassen, begünstigt, kann jedoch die beste Strategie dazu für Väter und Mütter durchaus verschieden sein. Das führt zu einem inhärenten Konflikt zwischen den Eltern – eine Tatsache, die vielen Menschen nicht erst ein Wissenschaftler eröffnen muß. Wir machen Witze über den Kampf der Geschlechter, aber dieser Kampf ist weder ein Witz noch ein außergewöhnlicher Zufall, der in bestimmten Situationen aus dem Verhalten von Vater und Mutter entsteht. Es trifft tatsächlich zu: Verhaltensweisen, die im genetischen Interesse des Männchens sind, müssen nicht unbedingt auch im Interesse der Partnerin sein, und umgekehrt. Diese grausame Tatsache ist eine der Grundursachen menschlichen Elends.
     
    Betrachten wir noch einmal den Fall des Männchens und Weibchens, die gerade kopuliert und eine befruchtete Eizelle produziert haben. Sie stehen jetzt vor der »Wahl«, was sie als nächstes tun wollen. Wenn die Eizelle auch ohne Hilfe eine Überlebenschance hat und wenn sowohl der Vater als auch die Mutter in der Zeit, die sie auf die Pflege dieses einen Eies verwenden würden, viele weitere befruchtete Eizellen produzieren können, liegt es im gemeinsamen Interesse der beiden, wenn sie das Ei verlassen. Aber nehmen wir einmal an, das gerade befruchtete Ei, oder auch ein gerade geschlüpftes Junges, hat absolut keine Überlebenschancen, wenn es nicht von einem Elternteil versorgt wird. Dann tritt tatsächlich ein Interessenkonflikt auf. Sollte es einem Partner gelingen, die Verpflichtung zur Brutpflege dem anderen aufzuhalsen und selbst auf die Suche nach einem neuen Sexualpartner zu gehen, dann hat dieser treulose Partner seinen genetischen Interessen auf Kosten des verlassenen Elternteils gedient. Das treulose Individuum, das Partner(in) und Nachkommen verläßt, fördert egoistisch seine eigenen Evolutionsziele.
     
    In solchen Fällen, wenn die Versorgung durch einen Elternteil für die Nachkommen lebensnotwendig ist, kann man sich die Brutpflege als kaltblütigen Wettstreit zwischen Vater und Mutter vorstellen, bei dem es darum geht, wem es als erstes gelingt, den anderen und die gemeinsamen Nachkommen zu verlassen, um sich wieder der weiteren Kinderproduktion zu widmen. Ob es sich wirklich auszahlt, den anderen zu verlassen, hängt davon ab, ob man sich darauf verlassen kann, daß der alte Partner die Aufzucht der Jungen vollendet, und ob man selbst einen bereitwilligen neuen Partner findet. Es ist, als belauerten Vater und Mutter einander im Augenblick der Befruchtung, als starrten sie einander an und sagten im gleichen Augenblick: »Ich werde weggehen und einen neuen Partner finden; wenn du willst, kannst du dich um den Embryo kümmern, aber selbst wenn du es nicht tust – ich werde es bestimmt nicht tun. Wenn beide in diesem Spiel Ernst machen und den Embryo verlassen, stirbt er, und beide Eltern haben das Spiel verloren. Wer von beiden wird eher zurückstecken?
     
    Die Antwort hängt unter anderem davon ab, welcher Elternteil mehr in das Ei investiert hat und welchem sich die besseren Alternativen bieten. Wie gesagt: Keiner von beiden wägt bewußt ab, sondern die Handlungen sind auf beiden Seiten durch die natürliche Selektion in die Anatomie und Sexualinstinkte genetisch einprogrammiert. Bei vielen Tierarten gibt das Weibchen nach und wird zum alleinerziehenden Elternteil, während das Männchen sich aus dem Staub macht; aber bei anderen übernimmt auch das Männchen die Verantwortung, und das Weibchen ist der treulose Teil; und bei wieder anderen tragen beide die Verantwortung gemeinsam. Welche dieser Lösungen praktiziert wird, hängt von drei Faktoren ab, die zwischen den Geschlechtern verschiedener biologischer

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