Warum macht Sex Spaß?
Schlafzimmertür zu und treiben es im geheimen, nicht vor ihren Freunden wie jeder anständige Hund!
Um zu verstehen, wie Ihr Hund zu dieser Ansicht kommt, müssen Sie sich von Ihrer menschlichen Perspektive freimachen, die bestimmt, was normales Sexualverhalten ausmacht. Wir halten es heute zunehmend für engstirnig und entsetzlich vorurteilsbeladen, wenn wir diejenigen verunglimpfen, die nicht unseren eigenen Maßstäben entsprechen. Jede Art einer solchen Engstirnigkeit ist mit einem verpönten »Ismus« verbunden – zum Beispiel Rassismus, Sexismus, Eurozentrismus oder Phallozentrismus. Zu dieser Liste der modernen »Ismus-Sünden« fügen Tierschützer heute auch die Sünde des »Spezies-ismus« hinzu. Besonders verschroben, spezies-istisch und menschenfixiert sind unsere Maßstäbe für das Sexualverhalten, denn die menschliche Sexualität ist, gemessen an den dreißig Millionen anderen Tierarten auf der Erde, höchst anormal. Ebenso anormal ist es auch im Vergleich zu den Millionen Pflanzen-, Pilz- und Mikroorganismenarten, aber diese erweiterte Sicht möchte ich außer acht lassen, denn ich habe meinen eigenen Zoozentrismus noch nicht vollständig verarbeitet. Das vorliegende Buch beschränkt sich auf Erkenntnisse über unsere Sexualität, die wir gewinnen können, wenn wir unsere Perspektive durch die Einbeziehung anderer Tierarten erweitern.
Befassen wir uns zunächst einmal mit der Frage, was normale Sexualität nach den Maßstäben der fast 4300 Säugetierarten auf der Erde ist, von denen wir Menschen nur eine sind.
Die meisten Säugetiere leben nicht in Kleinfamilien, in denen ein Mann und eine Frau als Paar verbunden sind und gemeinsam für die Nachkommen sorgen. Statt dessen sind sowohl die Männchen als auch die Weibchen vieler Arten, zumindest während der Brutzeit, Einzelgänger, die sich nur zum Kopulieren begegnen. Die Männchen bieten also keine väterliche Fürsorge; der einzige Beitrag, den sie für die Nachkommen und ihre vorübergehende Partnerin leisten, ist der Samen.
Selbst sehr soziale Säugetiere, wie beispielsweise Löwen, Wölfe, Schimpansen und viele Huftiere, bilden innerhalb ihrer Herde, ihres Rudels oder ihrer Gruppe keine Paare von Männchen und Weibchen. In einer solchen Herde/Gruppe usw. gibt es keine Anzeichen dafür, daß ein Männchen bestimmte Jungtiere als seine eigenen Nachkommen erkennt und sich ihnen auf Kosten anderer Jungen in der Gruppe besonders widmet. Tatsächlich konnten Wissenschaftler, die sich mit Löwen, Wölfen und Schimpansen beschäftigen, erst in den letzten Jahren durch DNS-Analysen herausfinden, welches Männchen welche Jungen gezeugt hat. Aber wie alle Regeln, so hat auch diese ihre Ausnahmen. Eine Minderheit erwachsener Säugetiermännchen kümmert sich wirklich um die eigenen Nachkommen, zum Beispiel die Zebramännchen mit ihren vielen Partnerinnen, Gorillas, die sich einen Harem halten, männliche Gibbons, die monogam bei einem Weibchen bleiben, und Tamarins, gesellig lebende Kleinaffen, bei denen sich ein erwachsenes Weibchen einen Harem von zwei Männchen hält.
Sexualität findet bei sozialen Säugetieren meist in der Öffentlichkeit statt, unter den Blicken anderer Gruppenmitglieder. Weibliche Berberaffen zum Beispiel kopulieren während ihrer Brunstzeit mit allen Männchen des Rudels und machen keine Anstalten, diesen Vorgang vor den jeweils anderen Männchen geheimzuhalten. Die am besten belegte Ausnahme von dem Prinzip der öffentlichen Sexualität findet man bei Schimpansengruppen: Hier zieht sich ein erwachsenes Männchen mit dem brünstigen Weibchen einige Tage lang zurück – menschliche Beobachter sprechen von einer »eheähnlichen Gemeinschaf «. Aber dasselbe Schimpansenweibchen, das sich mit einem Partner zum Sex zurückzieht, treibt es unter Umständen während der gleichen Brunstperiode auch öffentlich mit anderen erwachsenen Männchen.
Die Weibchen der meisten Säugetierarten machen mit unterschiedlichen Mitteln ausdrücklich auf die kurze Brunstphase aufmerksam, in der ihr Eisprung stattfindet und sie befruchtet werden können. Diese Ankündigung kann optisch erfolgen (zum Beispiel indem sich der Bereich um die Vagina rot färbt), aber auch durch Geruch (indem ein bestimmter Duftstoff abgegeben wird) oder durch Verhalten (beispielsweise indem das Weibchen sich vor einem Männchen hinkauert und die Vagina zur Schau stellt). Die Weibchen werben nur während der fruchtbaren Tage um Sexualität. In der
Weitere Kostenlose Bücher