Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Menschenverstand zugänglich.
Es bietet Mathematisches und Mathematik-Angehauchtes in vielen Spielarten aus vielen Gebieten. Durchaus gewollt, ist es kunterbunter und munterer, als es Bücher des mathematischen Genres gemeinhin sind. Zwar mag man szenische und kompositorische Schwerpunkte ausmachen, doch am ehesten ist es eine Kollektion flanierenden Denkens bei starker Streuung der Themen, eine exaltierte Querbeet-Kompilation von Mathematik und Leben, die Leselust erzeugen will. Aber irgendwie anders: etwa wie eine Art Woodstock der erzählenden Mathematik. Meine Intention ist es, das Thema so zu bespielen, wie Jon Bon Jovi seine Gitarre bespielt, nicht wie Anne-Sophie Mutter ihr Instrument bespielt, sondern eben wie Bon Jovi.
Bei den hier versammelten Lesestücken in Feiertagslänge geht es nicht darum, komplexe Zusammenhänge zu umschiffen, aber doch darum, sie durch Umformulieren auf Augenhöhe zu bringen und Schweres unschwer leichter zu sagen. Nicht Kleinkunst habe ich im Sinn, sondern tiefer gehängte Hochkultur, bis hinunter auf Verstehbarkeit in Echtzeit.
Dieses Buch mag man als Bemühung deuten, eine kommunikative Brücke zu schlagen zwischen Mathematik und dem Rest der Welt. Es bietet eine gedankliche und erzählerische Collage von Miniaturen und Mikroessays, intellektuell-vielkulturell angelegt. Es bietet mathematischen Denkstoff als reizvolles Erlebnissegment, dem gegenüber man sich etwa durch bereitwilliges Mitschwingen in das richtige Verhältnis setzen kann. Lassen Sie Ihre Mitmachmentalität anregen und folgen Sie mir in den Behaglichkeitskokon einer temperamentvollen Themenmischung aus freier mathematischer Wildbahn: Die Mathematik ist genauso verrückt, so witzig und aberwitzig wie das Leben. Und sie werden nach Lektüre dieses Buches über Mathematik nie wieder so denken wie davor.
Das Ergebnis dieser Bemühung mag fragmentarisch sein, die Bemühung selbst aber ist es nicht. Schon seit langem liegt mir die Popularisierung der Mathematik am Herzen. Insofern versteht sich dieses Buch neben allem anderen auch als Hommage an ein Betätigungsfeld, in das sehr viel Herzblut fließt und das mir geholfen hat bei der für jeden nicht unerheblichen Anstrengung, den eigenen Platz in der Welt zu finden.
Mannheim, 18. Mai 2010
Christian H. Hesse
1. Alltagsweltliches
1. Kleine Mathematik des Lebens und Sterbens
Leben und Sterben, das sind ernste Themen, denen man sich nicht immer in heiterem Plauderton nähern kann. Ohne elegisch zu werden, bleiben wir hier im faktischen Bereich. Eine groß angelegte statistische Studie in den 1990er Jahren hat sich mit dem Sterben vor und nach Geburtstagen und anderen persönlich bedeutenden Ereignissen beschäftigt, etwa wichtigen Feiertagen, Hochzeitstagen und so weiter. Die Ergebnisse sind staunenswert. Zum Beispiel zeigt eine Untersuchung innerhalb der chinesischen Community in den USA, die Sterbedaten aus einem Zeitraum von über 25 Jahren verwendete, dass die Todesraten der mindestens 75-jährigen Frauen in der 7-Tages-Periode vor dem Harvest Moon Festival, dem Chinesischen Erntedankfest, um 35 % sanken, während sie in der Woche nach dem wichtigen Feiertag um ca. denselben Prozentsatz stiegen (verglichen mit dem Durchschnittsprozentsatz für das gesamte Jahr).
Kurz unsterblich. Repräsentative Kontrollgruppen von nichtchinesischen Frauen zeigen dieses Verhalten nicht. Das Harvest Moon Festival ist ein wichtiges Fest, bei dem die älteste Frau eines Haushaltes über die Festivitäten präsidiert, eine Prozession anführt und auch sonst im Mittelpunkt steht. Die Studie lässt keinen anderen Schluss zu als den beflügelnden Vorstellungsinhalt, dass die ältesten Frauen den nahenden Tod bei lohnendem Anlass im Schnitt etwas hinauszuschieben vermochten. So erzeugt das Harvest Moon Festival einen possierlichen Effekt nichtlinearer Körpererfahrung in Form von prolongierter Lebendigkeit.
Mathematikata
Bitte sie zu warten – ich bin fast fertig.
Carl Friedrich Gauß, mathematischer Wirklichkeitsüberbieter par excellence, während der Arbeit an einem Beweis, als er darüber informiert wird, dass seine Frau im Sterben liegt.
Ein ganz ähnlicher Effekt wurde für jüdische Männer in den Wochen um das Passah-Fest ermittelt. Die Sterberate jüdischer Männer erreichte in der Woche vor dem Fest ihr Jahresminimum, 31 % geringer gegenüber dem Jahresdurchschnitt, und stieg in der Woche nach dem Fest auf ein Plus von etwa demselben Wert gegenüber dem Jahresmittel.
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