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Die dunkle Seite der Dinge

Die dunkle Seite der Dinge

Titel: Die dunkle Seite der Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Reitz
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Kapitel 1

    Unaufhaltsam schob sich der
breite Fluss durch die Stadt und warf sein schlammiges Wasser gegen
den Kai. Weiße Schaumkronen wirbelten auf der Oberfläche,
drehten sich in einem wilden Tanz, bevor sie unter den Bögen der
Eisenbahnbrücke verschwanden. Hinter der stählernen
Konstruktion ragten die Türme des Kölner Doms hoch in den
Himmel.
    Der Anblick der Spitzen war
spektakulär und raubte dem Betrachter den Atem, besonders in
diesem Augenblick, da sich die Wolken bedrohlich über der
Metropole zusammengeballt hatten und nur darauf warteten, sich über
den Einwohnern der Stadt und dem Dreck, den sie mit sich brachten, zu
entladen.
    Mit eingezogenen Köpfen
hasteten die wenigen Männer und Frauen am Ufer entlang und jeder
Einzelne von ihnen hätte in diesem Moment bezeugt, dass der
Strom seine zerfressene Seele offenbarte.
    Am gegenüberliegenden Ufer
warf der Fluss Unrat, abgebrochene Zweige und tote Fische auf das
Land, nur um für diese Gabe zugleich seinen Tribut zu fordern
und alles mit sich fortzureißen, dass dem gnadenlosen Sog
nichts entgegenzusetzen wusste.
    Kreischend schossen die Möwen
über das aufbrausende Wasser, lieferten ihre zerbrechlichen
Körper dem Sturm aus, als wüssten sie, dass schon allein
der Versuch, sich den Naturgewalten zu widersetzen, sie nur noch
schneller ins Verderben führen würde.
    Immer wütender rollten die
Wellen heran und schlugen gegen die von Menschen geschaffene
Barriere.
    Dann endlich offenbarte der Fluss
die Verletzung seiner Seele.
    Resolut spuckte er einen
schlaffen Körper auf das steinige Ufer der Domstadt. Als wäre
noch ein Hauch Leben in dem geschundenen Leib, versuchte er, sich in
das Wasser zurückzuflüchten, doch schon wurde er von den
dornigen Ästen der Sträucher umklammert und unerbittlich an
Land gezerrt.
    Die Glieder seltsam verrenkt, war
er nun der Aufmerksamkeit der Welt preisgegeben. Sein Fleisch
gewaltvoll aufgetrieben, einem gärenden Kürbis gleich, der
jeden Augenblick platzen und mit seinem fauligen Gestank alles
durchtränken würde. Lange, verfilzte Haare hingen wirr vom
Kopf in die Stirn hinein. Dabei verdeckten die schmutzigen Strähnen
nur Teile der verzerrten Fratze. Das dichte Haar erbarmte sich nicht,
auch die Augenpartie zu verbergen. Dunkle Höhlen sogen die
Schwärze des Himmels in sich auf.
    Schon bald entdeckten die Möwen
den grausamen Fund, den sie sofort für sich beanspruchten.
Gierig schossen sie heran, doch der heftig einsetzende Regen schlug
sie in die Flucht. Die dicken Tropfen ließen den Leichnam in
den Sträuchern tanzen.
    Nachdem die Wolken ihre Last über
der Stadt ausgeschüttet hatten, klärte sich der Himmel
unvermittelt auf und die Sonne trat hervor. Nichts entging ihren
gleißenden Strahlen.
    Mit der Sonne fanden sich nun
auch die Krähen ein, die den Möwen den wehrlosen Körper
streitig machten.

Kapitel 2

    „ Was ist denn?“
Wellingers Kopf schoss in die Höhe, als die Tür zu seinem
Büro zaghaft geöffnet wurde. Er war tatsächlich kurz
eingenickt.
    Am Morgen hatte ihn der Wecker
unsanft aus einem Schlaf gerissen, der keine Erholung gebracht hatte.
Zuvor war er stundenlang durch das leere Haus gewandert. Wer auch
immer einen fünfzehnjährigen Sohn sein eigen nannte,
bedurfte keiner näheren Erklärung. Dass sich der Junge
keinerlei Schuld bewusst gewesen war, als er gegen zwei Uhr morgens
den Schlüssel im Schloss umgedreht hatte, musste ebenfalls nicht
erwähnt werden. Lennart besaß die Leichtigkeit und die
Ignoranz der Jugend. An diesem Schild aus Überheblichkeit und
Selbstbewusstsein prallte jedes väterliche Argument wirkungslos
ab.
    Nun blickte Wellinger grimmig in
das Gesicht der neuen Kommissaranwärterin, die ihren Kopf durch
die Tür streckte. Als sie seinen Blick bemerkte, setzte sie
einen Schritt zurück und biss sich auf die Lippe. „Thorsten
hat gesagt, ich sollte Sie mal fragen“, erklärte sie, ohne
wirklich etwas zu erklären.
    „ Ach ja? Hat er das?“
    Sie nickte und senkte die Augen.
    Energisch unterdrückte
Wellinger sein schlechtes Gewissen. Nein, heute war ihm nicht danach,
nett zu sein. „Machen Sie schon, fragen Sie endlich!“ Auf
seinem Gesicht lag noch nicht einmal die Andeutung eines Lächelns.
    Es verwunderte ihn kaum, dass er
sich nicht an den Namen der Neuen erinnern konnte. Mit ihren
rotblonden Haaren und der hellen Haut war sie so unscheinbar, dass
sie wie ein Gespenst an einem vorüberzog. Auf eben solch leisen
Sohlen schlich sich nun doch ihr Name in

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