Was bin ich wert
die äußere Erscheinung wichtig für den Berufseinstieg. 2003 waren es bei Männern und Frauen schon 27 Prozent. Damit überholte die Optik die Bedeutung von Sprachkenntnissen (26,6 Prozent) undwar fast ebenso wichtig wie die persönlichen Beziehungen (28 Prozent).
Attraktivität kann man wiederum kaufen. Davon leben die Mode- und die Kosmetikindustrie. Deshalb werden weltweit jährlich über 20 Milliarden Euro für sogenannte Schönheitsoperationen ausgegeben. In Deutschland wurden solche chirurgischen Optimierungen erstmals in den zwanziger Jahren in Berlin populär. Mittlerweile finden laut der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie jedes Jahr etwa 750 000 solcher Eingriffe statt. Eine Preissuchmaschine im Internet beziffert den niedrigsten Preis für eine Nasenkorrektur mit 2200 Euro, ein Facelifting gibt es ab 4200 Euro, eine größere Brust ab gut 3000 Euro, Fettabsaugen am Bauch schon für um die 2000 Euro, eine Schamlippenverkleinerung ab 400 Euro und eine Penisverlängerung für rund 3500 Euro.
Ich könnte also wie viele andere auch in so eine Operation investieren, beispielweise mein Übergewicht mittels Absaugen zumindest kurzfristig besiegen. Da sich diese Wertsteigerung aber nicht wirklich bemessen läßt, wäre so eine Aktion rein ökonomisch fragwürdig. Außerdem habe ich meiner schönen Frau schon mal angedroht, daß ich sie verlasse, wenn sie so einen Blödsinn macht.
Es gibt da aber auch noch einen anderen Preis, der für Schönheit bezahlt wird. Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts leiden fast 30 Prozent der deutschen Mädchen zwischen elf und 17 Jahren an Eßstörungen wie Magersucht, Eß-Brech-Sucht oder Fettsucht. Und laut einer US -Studie sind gar 65 Prozent aller Frauen mit ihrem Körper unzufrieden. Das ist nun wiederum alles andere als schön.
5.
»Eine tote Oma kommt billiger.« Mißverständnisse bei meiner Versicherungsagentur
Ich habe einen Brief von einer Versicherungsagentur bekommen, bei der ich vor vielen Jahren eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe. Der Brief informiert mich darüber, daß ich in Zukunft mit besseren Leistungen rechnen kann – und zwar bei gleichbleibender Prämie. Das finde ich interessant. Soweit ich weiß, geht es bei einer Haftpflichtversicherung unter anderem auch um die Abdeckung von mir verursachter Personenschäden. Das könnte eine Spur sein, eine Antwort auf die Frage nach dem Wert eines Menschen zu finden, vielleicht sogar nach meinem Wert. Ich rufe an. Die Frau von der Agentur möchte mich gern telefonisch beraten. Persönlich ist mir aber lieber. Schließlich geht es um meinen Selbstwert.
Ein paar Tage später klingle ich an der Haustür eines gutbürgerlichen Berliner Mietshauses. Eine junge Frau macht auf. Das Büro im Parterre wirkt ein bißchen wie eine Rumpelkammer. Die Frau holt noch einen jungen Mann dazu. Er ist neu im Geschäft, deswegen soll er gut zuhören und lernen, wie man einen Kunden berät, und vor allem, wie man ihm eine Versicherung verkauft. Beide sind sehr freundlich zu mir. Wir reden über Klassik-Tarife, Single-Tarife und Familientarife. Dann möchten die beiden mit mir eine »Risikoanalyse« machen. Sie fragen, ob ich wilde Tiere besitze. Oder vielleicht einen Öltank. Ich wiederum möchte nicht wissen, wie gefährdet, sondern was ich wert bin. Um das herauszufinden, habe ich mir behelfsmäßig folgende Frage zurechtgelegt:
– Was kostet es, wenn ich jemanden totfahre?
– Mit Vorsatz?
– Ohne.
– Wenn Sie zum Beispiel volltrunken Auto …
– Nein, nüchtern.
Die beiden schauen mich an. Dann schauen sie sich gegenseitig an. Dann schauen sie wieder mich an. Ich glaube, daß sie etwas denken, was sie nicht denken sollen.
– Mich interessiert das nur rein theoretisch, ich hab’s nicht wirklich vor!
Die beiden wirken erleichtert.
– Also, so ganz konkret können wir Ihnen das nicht sagen. Aber es käme schon teurer, wenn Sie einen Familienvater erwischen, als eine Oma, die eine lebensbedrohende Krankheit im Endstadium hat. Das hängt im Zweifelsfall vom Richter ab. Auf Personen bezogen geht es dabei meist um Schmerzensgeld, Heilkosten oder Versorgungsansprüche.
Ich verstehe. Wer einen Schaden verursacht, muß dafür bezahlen. Und wenn ich eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe und einen Schaden verursache, zahlt meine Versicherung für mich. Allerdings nur, wenn dieser Schaden durch den Versicherungsvertrag auch abgedeckt ist
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