Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
intensiv bemüht hat. Man könnte Küngs Wirken in vier Phasen gliedern:
– Zunächst beschäftigt ihn die Vision einer strukturell erneuerten und ökumenisch versöhnten Kirche (Rechtfertigungslehre, Konzil, Kirche und Unfehlbarkeit); die Ergebnisse haben sich in umfassenden Monographien und kleineren Schriften niedergeschlagen.
– Im ersten nachkonziliaren Jahrzehnt (1970 – 80) wendet er sich zentralen christlichen Glaubensfragen zu (wer war Jesus, was meinen Christus- und Gottesglaube, was ist unsere Zukunft?); die Hauptergebnisse sind in vier umfassenden Monographien niedergelegt.
– Nach der endgültigen Kampfansage Roms (1979/80) verlagert sich Küngs Interesse in den 1980er Jahren auf die weltweite Ökumene der Weltreligionen (Projekt: »Die religiöse Situation der Zeit«); breit dokumentierte Monographien zu Christentum, Judentum und Islam sind die Folge.
– In den 1990er Jahren gewinnt das Projekt Weltethos immer mehr an Kontur. Es führt zu einem letzten großen Kreativitäts- und Bekanntheitsschub mit Büchern zur Idee des Weltethos, zu Fragen einer ethisch verantwortbaren Politik und Wirtschaft und den Möglichkeiten einer globalen Verständigung auf ein Minimum an gemeinsamen Werten. Streng genommen sind das weder religiöse noch theologische Projekte; sie sind aber dort angelangt, wo christliche Glaubenspraxis hingehört, nämlich bei der Gestaltung einer gerechten und versöhnten Welt.
– Hinzukommende Themenbereiche, denen sich Hans Küng zuwandte (Abhandlungen und Essays zu Kunst, Literatur, Naturwissenschaften, Paradigmentheorie, zu historischen Persönlichkeiten und Entwicklungen) werden hier ebenso ausgeklammert wie die Tatsache, dass die genannten Themen einander auch überlagerten und unter neuen Problemstellungen zurückkamen, so etwa Fragen der Kirchenreform, die heute noch drängender sind als vor 55 Jahren.
Gewiss finden diese vier Phasen im vorliegenden Band ihren Niederschlag, wie schon das Inhaltsverzeichnis zeigt. Beabsichtigt ist aber kein geschlossenes System, sondern eine Vielfalt interessanter Textstücke, die zum Weiterlesen einladen. Küngs Bücher können zwar Konzentration erfordern und weit in die Forschungslabore von Theologen, Religionswissenschaftlern, Kulturspezialisten, Politologen, Naturwissenschaftlern oder Wirtschaftskundigen hineinreichen, aber immer wirken sie erhellend und erfrischend. Sie lesen sich mal als mitreißende Polemik, öfters als informationsreiche Erkundungstour, in vielen Fällen wie ein spannender Roman, den man nicht mehr aus der Hand legt. Und weil sich Theologie und Kirche seit 50 Jahren leider im Kreise drehen, sind selbst seine theologischen Werke von damals noch aktuell. Sogar sein Buch »Die Kirche«, vor genau 45 Jahren erschienen, enthält schon alle aktuellen Reformprogramme, die dem Vatikan noch heute die Ruhe rauben.
Dieses Buch ist Hans Küng zu seinem 85. Geburtstag gewidmet. Wir feiern diesen Tag mit großer Dankbarkeit für sein Lebenswerk; denn wir sind davon überzeugt: Seine globalen Wirkungen innerhalb und außerhalb der Kirche sind noch lange nicht ausgeschöpft. Angesichts seines Alters will der Gefeierte jetzt alle seine Ämter und Funktionen niederlegen, die er noch immer mit Tatkraft in voller Präsenz zu versehen weiß. Wer würde das nicht verstehen! Doch wissen wir auch: Seinen geliebten Schreibtisch, an dem er schon die ersten Tübinger Bücher geschrieben hat, wird er bestimmt nicht entsorgen und wir können uns nicht vorstellen, dass seine Energie über Nacht versiegen wird.
Mit dieser Textsammlung möchten wir Hans Küng auch persönlich Dank sagen: dem unermüdlichen und stets neugierigen Forscher und Denker, dem großartigen Inspirator und Lehrer, dem motivierendem Chef und vertrauensvollen Kollegen, kurz: einem wunderbaren Menschen, der unser beider Leben geprägt hat und dem wir beide sehr viel verdanken.
Doch einstweilen wünschen wir dem vorliegenden Buch eine große Verbreitung. Es möge zum Türöffner werden zu Hans Küngs Schrifttum, also zu vielen spannenden Exkursionen über Gott und die Welt, den Frieden und die Versöhnung, auf den die ganze Menschheit hofft und in deren Dienst er immer noch arbeitet.
Tübingen, im Dezember 2012
Hermann Häring
Stephan Schlensog
Gruß an den Leser
Was bleiben soll von meinem Denken, kann ich nur als Hoffnung formulieren: Ich hoffe, dass meine Kerngedanken zu Gott und Jesus Christus, zu existentiellen Fragen des
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