Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
rätselhafte Wirklichkeit selbst, bei der sozusagen die »Initiative« liegt: die mir den verborgenen Ursprung, Ursinn und Urwert auch meines eigenen Daseins manifestiert.
Es ist die rätselhafte Wirklichkeit selbst, die mir die »Vertrauensbasis« liefert für jenes »Vertrauensvotum«, das für Gottes Wirklichkeit in dieser Weltwirklichkeit abgegeben werden soll.
Es ist die rätselhafte Wirklichkeit selbst, die mir ermöglicht, daß bei allem Zweifel, aller Angst und Verzweiflung die Geduld im Blick auf die Gegenwart, die Dankbarkeit im Blick auf die Vergangenheit, die Hoffnung im Blick auf die Zukunft letztlich begründet ist. Somit gilt:
Der Gottesglaube ist ein Geschenk! Die Wirklichkeit ist mir vorgegeben. Schließe ich mich nicht ab, sondern öffne ich mich der sich öffnenden Wirklichkeit ganz, so kann ich ihren ersten Grund, ihren tiefsten Halt, ihr letztes Ziel glaubend annehmen: Gott, der sich als Ursprung und Urwert offenbart!
Offenbart? Ist es theologisch gestattet, im Zusammenhang der allgemeinen – und gerade nicht spezifisch christlichen – Gotteserkenntnis von »Offenbarung« zu reden? Daß Gott im christlichen Verständnis von allen Menschen, auch den Nichtjuden und Nichtchristen, erkannt werden kann, haben wir dargelegt: Dies wird vom ganzen Alten und Neuen Testament, von der gesamten katholischen, orthodoxen und reformatorischen Tradition (mit Ausnahme der Dialektischen Theologie) als selbstverständlich vorausgesetzt und auch von der Religionsgeschichte bestätigt. Und gerade der Apostel Paulus, der sonst über die Heiden als Gruppe pauschal negativ urteilen kann, setzt im Römerbrief nicht nur eine faktische Gotteserkenntnis der Heiden aufgrund der Welterkenntnis voraus, sondern spricht geradezu von »Offenbarung«: »Weil das, was man von Gott erkennen kann , unter ihnen offenbar ist ; denn Gott hat es ihnen geoffenbart. Sein unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, ist ja seit Erschaffung der Welt, wenn man es in den Werken betrachtet, deutlich zu ersehen, damit sie keine Entschuldigung haben, deshalb, weil sie Gott zwar kannten, ihm aber doch nicht als Gott Ehre und Dank erwiesen.« Dies wird im Johannesprolog und besonders – mit Entschuldigung der Heiden und ihres Nichtwissens – in der Apostelgeschichte bestätigt. Gott existiert; es ist legitim, hier von Offenbarung und auch von Gnade zu reden.
»Existiert Gott?« (1978), S. 624 – 640.
Der Gott der Liebe
Aus der Botschaft Jesu ergibt sich die Liebe als die zentrale Eigenschaft Gottes. Das bedeute, dass Gott den Menschen nahe ist. Hans Küng spricht in diesem kurzen Text vom menschenfreundlichen und mit-leidenden Gott.
Vom Leben betrogen?
Simone de Beauvoir, die Gefährtin Jean-Paul Sartres, älter geworden, beschließt den dritten Band ihrer Memoiren »Der Lauf der Dinge« (1963)mit einem Rückblick auf das von ihr so leidenschaftlich bejahte Leben: »Manchmal ist mir der Gedanke, mich ins Nichts aufzulösen, genauso abscheulich wie früher. Voller Melancholie denke ich an all die Bücher, die ich gelesen, an all die Orte, die ich besucht habe, an das Wissen, das sich angehäuft hat und das nicht mehr da sein wird. Die ganze Musik, die ganze Malerei, die ganze Kultur, soviele Bindungen: plötzlich bleibt nichts mehr … Wenn ich wenigstens die Erde bereichert, wenn ich etwas geschaffen hätte … was denn? Einen Hügel? Eine Rakete? Aber nein. Nichts wird stattgefunden haben. Ich sehe die Haselstrauchhecke vor mir, durch die der Wind fuhr, ich höre noch die Versprechungen, mit denen ich mein Herz berauschte, als ich diese Goldmine zu meinen Füßen betrachtete, ein ganzes Leben, das vor mir lag. Sie wurden erfüllt. Aber wenn ich jetzt einen ungläubigen Blick auf dieses leichtlebige junge Mädchen werfe, entdecke ich voller Bestürzung, wie sehr ich geprellt worden bin.«
Sind wir vielleicht doch allesamt Geprellte? Oder gibt es einen Sinn, nicht nur für die Jugend, sondern auch für das Alter, nicht nur für Zeiten des Glücks, sondern auch für Zeiten des Unglücks, für Zeiten des Leids?
Daß Leid tatsächlich der Testfall ist für Grundvertrauen und Gott-Vertrauen, für den alttestamentlichen wie den neutestamentlichen Gottesglauben, wird von vielen Menschen bezeugt. Immer wieder bricht die Frage hier auf, vor allem wenn es den Menschen unschuldig trifft: Warum konnte Gott das Übel nicht verhindern? Warum? Entweder er kann es nicht; ist er dann wirklich allmächtig? Oder er will es
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