Was dein Herz verspricht
und dem beinah nicht existenten Wissen über weibliches Benehmen war Mercy Brown so ziemlich am weitesten von allem entfernt, was Elizabeth sich als Zofe vorstellen konnte.
»Du kannst mir glauben, daß ich die Kälte kaum bemerkte. Heute ist ein sonniger Tag und der Himmel voller bauschiger weißer Wolken. Es ist einfach zu schön, um drinnen zu bleiben.«
Mercy nickte und machte sich um sie zu schaffen wie eine Glucke, obwohl sie nur vier oder fünf Jahre älter war als Elizabeth. »Ihr wer’t Euch noch den Tod hol’n, wirklich. Und das würd’ Seiner Lordschaft gar nich’ gefall’n.«
Elizabeth breitete ihren Umhang über das Fußende ihres großen Himmelbettes und Mercy begann, ihr aus den Kleidern zu helfen. »Ich bin sicher, daß es kaum Dinge gibt, die Seine Lordschaft weniger interessieren als die Tatsache, ob ich einen Schnupfen bekomme oder nicht.«
Mercy Brown seufzte. »Er läßt sich einfach von denen ausnutzen, Gott schütz’ ihn. Er is’ wirklich ’n guter Mann, ehrlich, gar nich’ so wie die andern. Ich weiß auch nich’, warum er die um sich haben will. Manchmal glaub’ ich wirklich, es is’ ihm alles egal.«
Diese Beobachtung war interessant. Das hatte sich Elizabeth auch schon gedacht. »Vielleicht ist er einsam. Der Graf ist immerhin von der guten Gesellschaft ausgestoßen. Vielleicht ist es immer noch besser, diese Männer zur Gesellschaft zu haben als gar keine Freunde.«
Die runde kleine Zofe schnaubte nur. »Seine Lordschaft hat ’ne Menge Freunde. Nich’ so feine Pinkel wie die, mit denen er unten trinkt, aber trotzdem prima Kerle.«
Elizabeth wollte noch fragen, welches die Männer waren, von denen Mercy sprach, doch Mercy war schon an ihre nächste Arbeit gegangen, machte sich eifrig im Zimmer zu schaffen und versuchte zusammenzustellen, was sie zum Abendessen anziehen sollte. Wer immer sie auch sein mochte, die anderen waren sicher besser als die Dandys, Schmarotzer und Tagediebe da unten, die lebten wie die Maden im Speck, eine Plage für Ravenworth Hall.
Mercy sagte gerade: »Wie wär’s mit diesem hier?« und hielt ein perlenbesticktes, goldfarbenes Satinkleid hoch, das eher angemessen gewesen wäre für einen Ball als für ein ruhiges Abendessen allein mit ihrer Tante. »Mann, is’ das hübsch.«
»Ich glaube, zu hübsch für einen Abend zu Hause.« Sie zeigte auf das Kleid daneben. »Das aprikosenfarbene Musselinkleid ist genau das richtige.«
Mercy hielt immer noch das Kleid in der Hand. »Ihr werdet nich’ mit Seiner Lordschaft essen? Ich dachte, vielleicht heute abend -«
»Ich bin nicht eingeladen worden, und wenn ich bedenke, was Seine Lordschaft für Gäste hat, bin ich deswegen nicht unglücklich. Ich versichere dir, Tante Sophie ist bestimmt eine bessere Gesellschafterin.«
Mercy murmelte etwas Unverständliches und marschierte zum Schrank. Elizabeth sah zu, wie sie ein frisches Unterkleid herausnahm, und ihre Gedanken wanderten zu Nicholas Warring. Sie fragte sich unwillkürlich, warum ein so gutaussehender und intelligenter Mann wie der Graf von Ravenworth freiwillig sein Leben verplemperte.
Als sie den Grafen am nächsten Morgen sah, war ihr dieser Gedanke immer noch präsent. Elizabeth, von eh und je Frühaufsteherin, hatte sich gedacht, daß sie den Freunden des Grafen und ihm selbst sicher nie früh am Morgen begegnen würde, nachdem sie bis spät in die Nacht spielten. Also hatte sie sich angewöhnt, in dem sonnigen kleinen Frühstücksraum auf der Rückseite des Hauses zu frühstücken. Es war ein ruhiges, angenehmes Zimmer, eingerichtet in Safrangelb und Olivgrün, und durch die Fenster sah man in den weitläufigen Garten.
Doch an diesem Morgen, als sie sich auf einen der gelbgestreiften Sessel vor dem Eichentisch gesetzt hatte, ging die Tür auf, und der Graf trat ein. Seine geschwungenen schwarzen Augenbrauen hoben sich überrascht, und Elizabeth’ Augen weiteten sich.
»Mylord, ich... ich hatte nicht erwartet, daß Ihr so früh aufstehen würdet.«
Ein dünnes Lächeln hob einen seiner Mundwinkel. Er schloß die Tür und ging zu der plötzlich nervös gewordenen Elizabeth hinüber. »Und ich dachte, wir hätten die Vereinbarung getroffen, daß Ihr in Eurem Trakt des Hauses eßt, wenn ich Gäste habe.«
Sie hob das Kinn. »Eure Gäste werden wohl kaum um diese Tageszeit schon herunterkommen, wenn man bedenkt, wie betrunken sie gestern abend waren. Und selbst falls sie durch irgendein Wunder erschienen, würden ihre empfindlichen
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