Was dein Herz verspricht
denn sie war sicher, daß die Erwartung ihrer Reize völlig ausreichen würde, um zu verhindern, daß er in das Bett einer anderen Frau geriet. In Wahrheit würde er natürlich genau das tun, wozu er Lust hatte. Exakt wie Miriam.
Sie verließen sein Schlafzimmer über die Hintertreppe wie stets, so daß sie im unteren Flur erschienen, als ob sie gerade aus einem der Salons getreten wären. Das war eigent-lich ein sinnloser Trick, der niemanden täuschte, und unter seinen Bediensteten, zu denen er volles Vertrauen hatte, gar nicht notwendig war. Doch wenn dadurch Miriams etwas seltsamer Sinn für Anstand befriedigt wurde, war es zumindest ein geringer Aufwand.
Als sie die Haustür erreichten, drehte sie sich zu ihm um. »Tja, dann sehen wir uns wohl erst in vierzehn Tagen wieder.« Sie lächelte zu ihm auf. Ihre Lippen waren immer noch geschwollen von seinen Küssen, ihre Wangen gerötet in der sonst cremeweißen Tönung ihrer Haut. »Adieu bis dahin, Nicky, mein Liebster.«
So schön sie auch sein mochte, sah Nick sie doch mit einer gewissen Erleichterung in ihrer Kutsche verschwinden. Und sosehr sie ihn auch im Bett amüsierte, konnte Miriam manchmal etwas lästig sein. Vielleicht würde ihre zweiwöchige Abwesenheit dazu beitragen, daß seine Leidenschaft für sie, die gerade zu erkalten drohte, wieder etwas aufgewärmt wurde.
Er wandte sich dem hochgewachsenen, fast kahlköpfigen Butler zu, der steif am Eingang stand. Edward Pendergass war seit vielen Jahren im Dienst der Warrings und einer der wenigen, die nicht in den letzten neun Jahren gekündigt hatten. »Ich erwarte den Besuch von Sydney Birdsall. Wenn er kommt, findet er mich in meinem Arbeitszimmer.«
»Wie Ihr wünscht, Mylord.« Er neigte flüchtig seinen leberfleckigen Kopf. Seine Haltung war genauso untadelig wie in den Jahren zuvor, als er für Nicks Vater, den dritten Graf von Ravenworth, gearbeitet hatte. Damals war der Haushalt ein total anderer gewesen. Da waren der Graf und seine Mutter noch am Leben und hatten ihn und seine Schwester Maggie vergöttert.
Nick verscheuchte die schmerzliche Erinnerung und dachte erneut an die Begegnung mit seinem Anwalt. Er fragte sich, was in aller Welt wohl so wichtig sein mochte, daß Sydney Birdsall von London nach Ravenworth reiste, ein Ort, den sein Freund vermutlich als »Freiluftlasterhöhle« bezeichnen würde.
Was immer es sein mochte, Nick würde nicht lange warten müssen, um es zu erfahren.
Gekleidet in ein graues, militärisch geschnittenes Reisekleid aus Kaschmirwolle, schwarz gestreift und mit passenden Schnurverzierungen am Oberteil, hockte Elizabeth Abigail Woolcot nervös auf der vorderen Kante eines Sofas im Goldenen Salon von Ravenworth Hall.
Ihr Magen war verkrampft vor Nervosität und ihre Handflächen feucht. Sie rückte ihre graue Haube mit der schmalen Krempe zurecht, steckte eine Strähne ihres dunkelrotbraunen Haars darunter und setzte sich auf dem Goldbrokatsofa anders hin. Entschlossen, nicht weiter darüber nachzudenken, was in jenem anderen Raum auf der anderen Seite der Eingangshalle besprochen wurde, sah sie sich nervös im Zimmer um.
Ravenworth Hall war riesig und eindrucksvoll, der Salon, in dem sie wartete, war mit reichverzierten, vergoldeten Ebenholzmöbeln eingerichtet und hatte eine hohe, bemalte Stuckdecke. Schwere Aubussonteppiche bedeckten den schwarzen Marmorboden, und die Wände waren mit goldgeflockten Tapeten beklebt. Goldene Damastvorhänge hingen an den Fenstern und hinderten die Sonne irgendwie trotzdem nicht daran, hereinzuscheinen.
Im Gegenteil, der Goldene Salon glänzte im Schein des hereinströmenden Sonnenlichts, das auf die vergoldeten Spiegel traf und regenbogenfarbene Lichter in den kristallenen Leuchtern hervorrief, die an den Wänden hingen. Er war unglaublich schön, doch in Wahrheit wollte sie eigentlich gar nicht hier sein. Nicht in diesem Haus.
Elizabeth seufzte und strich abwesend eine nichtexistente Falte in ihrem Reisekleid glatt. Sie wußte mehr als genug über dieses Haus, in dem sie saß, und den Mann, der es bewohnte - den »Verruchten Grafen«, so nannte man ihn, den schändlichen Grafen von Ravenworth - und daß sie überhaupt Zeit in seinem Haus - in seiner Gesellschaft -verbringen mußte, war wirklich das letzte, was sie sich wünschte. Unglücklicherweise sah es jedoch so aus, als hätte sie keine andere Wahl.
Elizabeth warf einen Blick zu der Tür, durch die sie hereingekommen war, und dachte an den Grafen, den sie gerade
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