Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
»Gesamtbefindlichkeit« gelten, haben Hunde durchaus eine Seele.
Endlich Zeit füreinander. Solch innige Momente genießen Mensch und Hund gleichermaßen.
Empfinden Hunde Gefühle wie Freude und Liebe?
NINA RUGE: Für mich steht außer Frage, dass unsere Vierbeiner unterschiedliche Emotionen kennen und durchleben. Und ich kann mich immer wieder nur darüber wundern, dass manche Menschen daran zweifeln. Dieses glückliche Jauchzen, wenn Lupo hört, wie sich der Schlüssel im Haustürschloss dreht. Wie er dann heransaust, sich auf den Rücken wirft, mit den Beinen strampelt, grunzt, quietscht und im Überschwang auch mal ganz hoch hüpft, obwohl er weiß, dass er das nicht darf. Das soll keine Freude sein? Niemals!
Ein anderes Beispiel: Sobald ich mich zu meiner Großen Schweizer Sennenhündin Vroni hinunterbeuge, schleckt sie mir hingebungsvoll den Hals. Sie knabbert zärtlich an meinen Händen, wenn ich ihren Kopf berühre. Rollt sich voll Wonne auf den Rücken und grunzt, damit ich ihr den Bauch massiere. Verdreht ihre Augen und gibt mir ein Bussi. Wie traurig schaut sie mich an, wenn ich dann wieder aufstehe und sie »verlasse«. Alles nur Einbildung?
Verklärung einer Hundenärrin? Niemals.
Das ist Liebe pur. Also, für mich steht fest: Hunde haben Gefühle. Und die ähneln unseren eigenen ganz gewaltig. Aber was ist, wenn ein Hund keine Möglichkeit hat, all diese Gefühle auch auszuleben? Wirkt sich dies nicht negativ auf sein Seelenleben aus?
Mensch und Hund sind über die Jahrtausende hinweg ein unschlagbares Team geworden.
GÜNTHER BLOCH: Da sind wir uns einig. Die Gefühlswelt der Hundeartigen ähnelt unserer eigenen enorm. Wir sollten uns diesbezüglich auch durch niemanden beirren lassen. Worüber man stattdessen diskutieren sollte, ist, wann, wie und in welcher Form hundliche Emotionen zum Ausdruck kommen. Damit muss sich jeder Hundehalter ernsthaft auseinandersetzen – und er tut dies am besten, indem er die körpersprachliche Gestik und Mimik seines Hundes im jeweiligen Verhaltenszusammenhang tagtäglich genau beobachtet.
Heute sprechen selbst angesehene Wissenschaftler wie Marc Bekoff, ehemaliger Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Universität von Colorado in Boulder, oder der holländische Zoologe und Primatenforscher Frans de Waal Tieren die Fähigkeit zu Mitgefühl, wie Trauer oder Versöhnungsbereitschaft, zu. Während letzterer vor allem über das Sozialverhalten von Menschenaffen, wie Schimpansen, Orang-Utans und Gorillas forscht, galt das besondere Interesse Bekoffs schon früh Kaniden, wie Wölfen, Kojoten und Haushunden.
Nicht umsonst zählt auch das bekannte Standardwerk »Hundepsychologie« der Ethologin Dorit Feddersen-Petersen im Untertitel neben den Begriffen »Sozialverhalten«, »Wesen« und »Individualität« auch die Emotionen auf. Trotzdem bewegen wir uns in Bezug auf eine hundertprozentige naturwissenschaftliche Beweislage auf etwas dünnerem Eis. Nichtsdestotrotz: Ich persönlich halte es für mehr als abenteuerlich, das Gefühlsleben von Tieren auf ihr Instinkt- und Triebverhalten zu reduzieren, auch wenn das in einigen Teilen der »Hundeszene« durchaus üblich ist. Vor allem die Anhänger des Behaviorismus , also jenes Wissenschaftszweigs, der das Verhalten von Lebewesen ohne irgendeine Innenschau und Einfühlung beobachtet, lehnen jegliche tierische Emotion kategorisch ab. Ihre Begründung: Gefühle seien aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht zweifelsfrei nachweisbar. Das mag zwar sein, erscheint mir aber als »fachliche« Erklärung mehr als dürftig.
Die Körpersprache der Hunde ist diffizil. Man muss genau hinsehen, um sie zu verstehen.
Von den Wölfen lernen
Wenn meine Frau und ich versuchen, das Familienleben »unserer« Wölfe in all seinen Facetten akribisch genau zu dokumentieren, berücksichtigen wir immer auch den gesamten Kontext, in dem wir die gezeigten Verhaltensweisen beobachten, einschließlich der ausdrucksstarken, sehr nuancenreichen Körpersprache dieser Tiere. Summa summarum ist für uns entscheidend, was vor einer bestimmten Situation geschah und wie sich die Tiere im Anschluss daran verhalten.
Ich nenne hier einfach einmal ein beliebiges Beispiel: Ein Wolf mit einem Stock im Maul nähert sich einem anderen in tänzelnder Schrittfolge. Er legt den Stock ab, nimmt eine spieltypische Vorderkörpertiefstellung ein und fordert sein Gegenüber mittels extrem übertriebenen angedeuteten Bewegungen zum gemeinsamen Herumtoben
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