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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Richter
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Netzstrümpfe. Lukas war Tarzan, ich Jane, er Che Guevara, ich Frida Kahlo. Bei einer Geburtstagsfeier – Motto: ›Total daneben‹ – tanzten wir zwischen einem Aborigine, der an der Flasche hing, und einem Galeerensklaven, verkörpert von einem Afro-Amerikaner. Draußen auf der Terrasse hielt Mutter Teresa ein Feuerzeug an einen Bong.
    Lukas greift das Lenkrad fester.
    »Sie wollen ›The Battle of Britain‹ machen.«
    »Wie – Zweiter Weltkrieg?«
    Ich verschlucke mich fast an meinem Rest Popcorn. Lukas wirft mir einen entschuldigenden Seitenblick zu, dann starrt er wieder auf den Verkehr.
    »Mmmh. Luftschlacht um England.«
    Ich habe kein Problem mit dem Verkleiden, wirklich nicht. Schließlich wuchs ich im Kölner Karneval auf. Vor vielen Jahren ging ich auf die Faschingsfete eines Kollegen als Monica Lewinsky und verkleckerte vorher gezielt Joghurt auf meinem Blazer. Das ergab authentische Flecken. Mein Freund ging als Bill Clinton und ließ ein Wiener Würstchen aus der Hose baumeln. Bald darauf haben wir geheiratet. Lukas und ich sind beide nicht zimperlich und teilen einen ziemlich fragwürdigen Sinn für Humor.
    Mein Mann ist Urologe. Spricht man es auf Englisch aus, was in letzter Zeit häufiger vorkommt, dann verstehen die meisten statt ›urologist‹ zuerst ›neurologist‹. Ehrfürchtiges Raunen, bewundernde Blicke. Nein, korrigiere ich stets, nix Gehirnchirurg. Er ist nur ein Nierenklempner. »Oh, really«, kommt es dann zurück, nicht mehr ganz so beeindruckt. Eher mitleidig. Mit einem Mann zu leben, der rein professionell den Finger in fremde Hintern steckt, um die Prostata zu ertasten, stellt man sich wohl nicht so schön vor.
    Mich fasziniert dieser Beruf. Seit ich mit Lukas zusammen bin, ist mir nichts Menschliches mehr fremd. In den Anfangsjahren half ich ihm manchmal, Dias für Vorträge zu rahmen. Jetzt sind es medizinische Bilder auf seinem Laptop, die mich begeistern. Unvergessen bleibt das Röntgenbild mit der Sicherheitsnadel, die sich in die Harnröhre eines masochistischen Patienten verirrt hatte. Ein Poster für einen Kongress zeigte ein Peniskarzinom in zwanzigfacher Vergrößerung. Das sind Lichtblicke eines Ehelebens.
    Jetzt also ein weiteres Highlight: Der Krieg um England. Auf diese Herausforderung ist unsere karnevalsgestählte Beziehung noch nicht vorbereitet. Dagegen verblasst die erste Grillparty von Ottos Klasse an Halloween, wo außer den Schülern auch die Eltern verkleidet kamen – bis auf uns. Wir waren damals noch Anfänger. Den Patzer versuchten wir bei Jakobs Schuldisco drei Wochen später durch besonderen Eifer wettzumachen. Lukas verkörperte John Travolta, ich eine etwas zu kurz geratene Grace Jones. Mir wurde heiß unter meinem Schoko-Make-up, als ich die Turnhalle betrat und die Gesichter der anderen Mütter sah. Außer den Kindern waren wir die einzigen im Kostüm. Diesmal möchte ich alles richtig machen.
    Die Festivität der Urologen soll im Museum der Luftwaffe am anderen Ende von Christchurch stattfinden. Dort sind viele blank geputzte Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg ausgestellt.
    »Sie haben sich auch schon die Tischdekoration überlegt.« Lukas klingt immer gequälter. Er hält sich am Lenkrad fest und schaut mich nicht mehr an. »Kerzen in Soldatenhelmen und so.«
    Das wird sicher saukomisch. Wenn da keine Stimmung aufkommt. Spätestens, wenn die Band einsetzt, wird sich irgendein betrunkener Pilot oder ein bestens gelaunter Offizier mit Spielzeugorden und Mottenkugelgeruch zu unserem Tisch durchkämpfen, eine Hand nach vorne reißen, zwei Finger unter die Nase halten und brüllen: »Hey, ihr zwei, Heil Hitler! Ha ha!« Man darf dieser Frohnatur nicht mal böse sein. Denn was schert es den gemeinen Neuseeländer, dass am anderen Ende der Welt gerade der Befreiung von Auschwitz gedacht wurde? Wahrscheinlich nicht mehr als den gemeinen Deutschen, nur fehlt dem bekannterweise der Humor. Schon blöd, wenn man so wenig zu lachen hat, wenn’s um die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts geht.
    Also Augen zu und durch. Andere Länder, andere Sitten. Wir müssen uns anpassen. Das geht schließlich allen so. Aber mit Joghurt und Würstchen wird auf dieser Motto-Party nicht viel zu reißen sein. Als den einzigen Deutschen dort eilt uns ein Ruf voraus. Müssen wir den verteidigen?
    »Bandagiertes Bombenopfer«, schlägt Lukas vor. Er parkt das Auto in der Einfahrt und zieht den Schlüssel ab. »Verbände kann ich aus dem Krankenhaus besorgen. Und

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