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Was vom Tode übrig bleibt

Was vom Tode übrig bleibt

Titel: Was vom Tode übrig bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Anders
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aufgerissen, ein paar Tage lang, einige Wochen lang. Und dann haben sie gemerkt, dass der Geruch nicht verschwindet. Sie sind also losgezogen und haben all die Duftmittelchen gekauft, die, die sie wollten, und die, die man ihnen aufgeschwatzt hat. Sie haben nochmal geschrubbt und gelüftet wie die Weltmeister. Und dann haben sie den Geruch nicht mehr ertragen, uns gerufen und gehofft, dass wir ein Wundermittel haben. So läuft das immer.
    Aber wir haben auch keine Wundermittel. Ich habe nur meine Nase und meine Erfahrung. Ich weiß eben, dass es nicht so ist, wie viele glauben, nämlich dass wir hier ein Zimmer haben, in dem ein Fleck ist und in dem es nach Tod riecht. Ich weiß, dass es der Fleck selbst ist, der riecht. Und weil nichts auf der Welt den Geruch des Todes neutralisieren kann, knien wir hier. Wir haben zuerst den Raum sicherheitshalber mit Kohrsolin ausgesprüht, einem Desinfektionsmittel. Nicht dass nach vier Wochen das noch nötig gewesen wäre, aber sicher ist sicher. Und dann haben wir begonnen, den Fleck zu entfernen. Mit der einzigen Methode, die wirklich hilft: Wir schlagen ihn aus dem Boden.
    Vier Wochen ist der Mann hier gelegen, im Hochsommer. Er lag auf der Seite, mit den Füßen an der Wand, dem Rücken zum Fenster, die Hände neben sich. Man sieht es an den Umrissen. Man kann den Daumen noch im Estrich erkennen, er schaut nur nicht mehr aus wie ein Daumen, sondern ähnelt mehr einem dicken Pilz. Die ganze Hand hat ja einen Umriss hinterlassen wie von einem Baseballhandschuh. Die Leichenflüssigkeit sickert eben aus dem Körper, aus dem ganzen Körper, durch die Kleidung, sie breitet sich aus, sie sickert in den Teppichboden, der sie in die Breite verteilt, dann dringt sie in den trockenen Stein darunter und dehnt sich dabei aus wie ein Tintentropfen auf einem Löschblatt.
    Die meisten Leute glauben, Stein wäre eine hermetisch dichte Schicht. Das ist nicht so. Wir sehen es ja beim Meißeln. Im Fernsehen gab es einmal eine Zahnpastareklame, in der eine Kindergärtnerin ein Stück Kreide rundum mit dem schmutzigen Malwasser ihrer Kinder bepinselte und dann das Kreidestück in zwei Teile brach, um zu zeigen, wie weit das Pinselwasser in die Kreide eingedrungen war. Genauso würden die tollen Wirkstoffe der Zahnpasta in den Zahn eindringen. Ob das bei der Zahnpasta stimmt, kann ich nicht sagen, aber beim Estrich stimmt es. Der dunkelbraunrote Fleck auf der Oberfläche setzt sich ein, zwei Zentimeter im Zement fort. Und die müssen raus. Wer den Boden gegen solche Flecken hätte abdichten wollen, hätte eine Edelstahlschicht einziehen müssen. Aber der Estrich ist nicht das eigentliche Problem, und wegen des Estrichs werden wir auch keinen Ärger kriegen. Den Ärger wird uns der Rest der Wohnung bereiten. Ich hab’s gleich gemerkt, als der Hausbesitzer, ein älterer, sehr vorsichtiger, misstrauischer und sparsamer Herr, auf einem sofortigen Kostenvoranschlag noch am Telefon beharrte.
    So vernünftig Sparsamkeit manchmal ist: Wie soll ich die Kosten richtig einschätzen, wenn ich den Tatort nicht sehe? Es gibt zig verschiedene Bodenarten, Dutzende Wände, Fugenmassen, Farben, was weiß ich. Wie alt ist das Haus? Wie lang lag die Leiche auf dem Boden? Wer hat bereits am Fundort herumgedoktert?
    Er hat mich dann immerhin hineingelassen. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung, Küche, Bad, die Leiche wurde im Schlafzimmer gefunden, und ich habe ihm gleich gesagt, dass er die ganze Wohnung reinigen lassen müssen wird.
    Nein, hat er gesagt, nur das Schlafzimmer.
    Dreimal hab ich ihm erklärt, dass das sein Problem nicht lösen wird. Dass wir das Zimmer zwar sauber kriegen, aber danach wird er feststellen, dass der Rest der Wohnung eben doch riecht. Dass er dann merken wird, dass der starke Geruch im Zimmer nur den etwas schwächeren Geruch im Rest der Wohnung überdeckt hat.
    Nein, hat er wieder gesagt, nur das eine Zimmer.
    Wenn’s wegen des Geldes ist, hab ich ihm vorgerechnet, soll er sich keine Sorgen machen. Das Zimmer, der Flur, das Bad, das kostet nicht so viel mehr. Viel teurer wird’s, wenn wir extra dafür wieder anfahren müssen.
    Nein, hat er gesagt, nur das Zimmer. Achthundert Euro, mehr zahlt er nicht.
    Ich hab überlegt, ob ich jetzt noch von den hygienischen Gründen anfange, aber ich hab’s dann gelassen. Der Mann war beratungsresistent. Die Gleichung ging für ihn so: Die Leiche lag nur in einem Zimmer, dann wird auch nur das eine Zimmer gereinigt. Um ihn umstimmen zu können, hätte die

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