Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
aber super, dass der Eingemauerte auch zum Feuerwehrfest kommt», kommentiert Sonja das gelbe Spaßparteimobil,
das zum Halten gekommen ist und nun mit laufendem Motor vor sich hin pröckt. «Ich hab gehört, der sei sonst kein großer Fan
von Festen.»
«Der kommt nicht zum Fest, der schaut bloß nach, ob er was sieht, was er dann zur Anzeige bringen kann. Ist noch frei bei
euch?» Schwester Alma tritt hinzu in Begleitung von zwei Frauen, die ich vom Sehen kenne: autolose Amerikanerinnen, Stammkundinnen |277| bei Frau Widdel. Ohne eine Antwort abzuwarten, setzen sich die drei.
Der kleine Schweizer nölt: «Müssen die jetzt grad präzis an unseren Tisch kommen, wo doch rundum noch überall so viel frei
ist, hä?»
«Nu ist aber gut!», herrsche ich ihn an, worauf er sich beleidigt unter sein Schweizer Kreuz verkriecht.
«Wat?», fragt Schwester Alma.
«Ich sagte, das find ich gut, dass ihr euch zu uns setzt», antworte ich.
«Aber was hätte der Eingemauerte davon, Anzeige gegen ein Feuerwehrfest zu erstatten?», fragt Sonja. «Der würde sich doch
lächerlich machen.»
«Der macht sich doch schon seit Jahren lächerlich mit seiner Anzeigerei!», entgegnet Schwester Alma. «Vorletztes Jahr zum
Beispiel hatten wir
50 Jahre Feuerwehr Amerika
. Da sind alle freiwilligen Feuerwehren aus dem weiteren Umkreis hinzugekommen mit ihren Löschfahrzeugen. Darunter waren auch
viele Oldtimer, mit denen wollten sie einen Umzug machen. Alle Kinder sollten auf den Feuerwehrautos mitfahren, ein richtiger
roter Korso war geplant. Und was macht der Eingemauerte? Anzeige macht der, wegen Ruhestörung.»
«Und dann? Wurde der Umzug abgeblasen?», frage ich.
«Na, Helena, Sie wissen, meine Tochter, die Feuerwehrchefin, also Helena hat die Anmeldung des Umzugs offiziell zurückgenommen.»
«Neeeeeee», lässt Sonja ihren Motoryacht-volle-Kraft-voraus-Sound erklingen. «Wegen der Anzeige?»
«Na, wegen was denn sonst! Und dann hat se einen ganzen Abend lang mit all den anderen Feuerwehrhauptleuten telefoniert und
die Sache klargemacht.»
|278| «Der Umzug hat also doch stattgefunden», vermutet Sonja zufrieden. Sie beugt sich über den Tisch zu Schwester Alma, um ja
keine Silbe zu verpassen. «Oder?»
«Nö», sagt die, «aber ’ne Feuerwehrübung.
Groß-Katastrophen-Einsatz in Amerika
haben die trainiert, alle Löschzüge Brandenburgs zusammengezogen, mit Blaulicht und Sirene, volles Programm.»
Schwester Almas Freundinnen prusten los.
«Das war Schau! Beim Eingemauerten konnten se leider, leider nur ganz langsam vorbeifahren, weil ja da die Straße so schrecklich
unübersichtlich ist», lacht die eine mit ironischem Bedauern.
«Genau», nimmt die andere den Ton auf, «das war ein richtiger Feuerwehrautostau vor seinem Haus. Und weil es ja vorwärtsgehen
muss, bei so einer Übung, haben die natürlich all ihre Sirenen und Hörner und Hupen voll aufdrehen müssen. Damit se schneller
durchkommen …»
«Das war ein vielleicht ein Spektakel.» Schwester Alma klatscht in die Hände.
«Die Kinder hatten jedenfalls ihren Spaß», ruft die eine Freundin.
«Nicht nur die Kinder», macht die andere.
«Ach, die Kinder durften mitfahren, obwohl es offiziell eine Übung war?», frage ich.
Schwester Alma empört: «Klar sind die mitgefahren. Der Eingemauerte hat ja auch gedacht, dass det nich geht, und hat die Polizei
gerufen. Wegen Mitfahrens Minderjähriger bei einem Feuerwehreinsatz oder was weiß ich.»
«Und dann?», fragt Sonja. «Gab das Ärger?»
«I wo», winkt Schwester Alma ab. «Das hat meine Helena in weiser Voraussicht alles schon vorher klargemacht. Die Kinder waren
allesamt angemeldet. Ganz offiziell als Volontäre für den einen Tag.»
|279| «Wissen Sie», wendet sich die eine an Sonja, «ich weiß gar nicht, wann das hier in Amerika angefangen hat mit dieser Anzeigerei
und Verklagerei. Der Raubritter ist ja auch so ein Kandidat.»
«Der wer?», fragt Sonja
«Na, dieser Wessi-Banker, der das Schloss gekauft hat, der Raubritter eben.»
«Recht haste», ruft die andere, «früher haben wir doch nicht wegen jedem Scheiß – ’tschuldigung, aber wahr ist es trotzdem –, wegen jedem Scheiß die Polizei und den Richter gerufen. Das hat man doch unter sich ausgemacht. Da gab es ein Gespräch
von Angesicht zu Angesicht, und denn hat man die Sache zu Boden geredet.»
«Und wenn mal so ein Wichtigtuer gar nicht aufhören wollte, zu stänkern und dauernd Ärger zu
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