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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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durch das ordentlich
     geschlossene Fenster. Und das Hundegebrüll war infernalisch!
    Dann sah er es. Überdeutlich im gleißenden Licht. Das Blut gerann ihm in den Adern. Das Tor stand OFFEN! Sperrangelweit offen.
     Er konnte die Straße sehen, das Nachbarhaus vis-à-vis – das bedeutete, dass nicht nur er da drinnen hinaussehen konnte, sondern
     die da draußen auch hinein! Wie hatte der Terrorist das Tor aufgekriegt? Der war womöglich schon drin in seinem Garten, und
     jeder andere, der noch da draußen war, konnte jetzt ebenfalls einfach so auf sein Grundstück   … wer weiß, wie viele da sind, da draußen   …
    Die Zone «unter Kontrolle» hatte sich schlagartig in eine Zone «unter Kontrolle zu bringen» verwandelt. Unter Kontrolle war
     gar nichts mehr. Der Supergau war da, jetzt war passiert, was nie hätte passieren dürfen, jetzt galt es zu handeln! Er musste
     die Kontrolle zurückerobern, koste es, was es wolle.
    Er stürzte aus dem Klo, schob seine Frau, die verängstigt in der Tür gestanden hatte, mit einer einzigen Bewegung seines Armes
     beiseite. Eigentlich war er ja ein rücksichtsvoller Mann, aber das hier war eine besondere Situation, in der er besondere
     Befugnisse automatisch beanspruchen zu dürfen glaubte. Die Frau taumelte gegen die Flurwand, von welcher sie glücklich am
     Stürzen gehindert |275| wurde, und starrte den Eingemauerten erschrocken an. Hätte er zurückgestarrt, hätte er in ihrem Blick auch Bewunderung und
     ja   … einen Anflug leidenschaftlicher Begehrlichkeit entdeckt.
    Er aber war ganz und gar erfüllt von seiner Aufgabe der Kontrollerlangung. «Geh ins Schlafzimmer, schließ dich ein, komm unter
     keinen Umständen heraus!», befahl er ihr knapp und war schon weiter in der Küche, an der Schublade mit den großen Messern.
    Nachdem er mit glänzend scharfem Stahl in der Faust mutig sein Grundstück abgesucht hatte, dabei feststellen musste, dass
     der Lärm des digitalen Wachhundes hinderlich ist, wenn man den Eindringling anhand verdächtiger Geräusche zu lokalisieren
     versucht, er daher das Gebell manuell zum Schweigen gebracht hatte und trotz Stille und Helle keinen Eindringling entdecken
     konnte, setzte er sich, zitternd vor angestautem Adrenalin, auf die Stufen vor der Eingangstür und starrte durch das offene
     Tor, durch diese Sicherheitslücke, diese klaffende Wunde, auf die feindliche Außenwelt.
    Warum hatte sich das Tor geöffnet? Unvorhergesehen! Warum? Er konnte es nicht fassen, nicht begreifen, nicht erklären. Schließlich
     erinnerte er sich an seine Frau, die noch immer im Schlafzimmer unter Arrest stand. Die hatte er ja ganz vergessen. Dabei
     ist er sonst nicht vergesslich, er denkt an jeden ihrer Geburtstage und hat noch keinen Hochzeitstag unbeblümt vorübergehen
     lassen.
    Er verriegelte das Tor manuell, reaktivierte die Bewegungsmelder und gab Entwarnung. Als er seine Frau tröstend in die Arme
     schloss, flüsterte ihr Mund ganz nah an seinem Ohr: «Du hast so wild und gefährlich ausgesehen, mein großer Held, du.» Sie
     presste ihn an sich, schaute zu ihm auf und bot ihm den Mund zum Kusse.
    Es hätte noch eine sehr schöne Restnacht werden können für den Eingemauerten, wenn nicht, kaum dass sein körpereigenes Chemiemanagement
     von Adrenalin auf Testosteron umgestellt |276| hatte, der ganze Show-Block «Digitalhund, Flutlicht, Kameras und offenes Tor» abermals abgespielt worden wäre. Das volle Programm.
     Und nach Mitternacht noch einmal. Dann um 2   :   10   Uhr und 2   :   45   Uhr und gleich nochmal um 3   :   13   Uhr. Nach einer relativ langen Pause, in der die Frau des Eingemauerten und der Eingemauerte in der Küche einander gegenübergesessen
     hatten, in tranceartigem Erschöpfungszustand ihre Oberkörper rhythmisch vor und zurück schaukelnd wie betende Mönche, ein
     weiteres Mal um 5   :   28   Uhr.
    Nämlich immer dann, wenn
ein Auto an des Eingemauerten Mauer vorbeifuhr,
dieses Auto über eine Freisprechanlage verfügte,
diese Freisprechanlage mit Blauzahn-Technologie funktionierte und
aktiviert war.
    Diese Zusammenhänge erschlossen sich dem Eingemauerten jedoch erst nach Tagen und Nächten schierer Verzweiflung. Er stand
     gerade mit dem zu Hilfe gerufenen Fachmann für Sicherheitsanlagen neben dem Tor, als dessen Handy klingelte. Er nahm den Anruf
     entgegen. Über sein Blauzahn-Headset   …
    Ratter quiiietsch, wuff wuff blink wuff blink blink gleiß blink wuff knurrrrrrr.
     
    «Das finde ich

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