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Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition)

Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition)

Titel: Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Hüther
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Hirnforschern lokalisierbares und analysierbares Broca-Areal oder ein Wernicke-Zentrum gibt, sondern vielmehr dem Umstand, dass Eltern normalerweise mit ihren Kindern sprechen. Je nachdem, wie viel und wie komplex dieser verbale Austausch ist, werden auch die betreffenden Hirnregionen mehr oder weniger komplex herausgeformt. Die Feststellung, dass die durchschnittliche Dauer verbaler Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern in unserem Land inzwischen auf weniger als 10 Minuten pro Tag gesunken ist, kann für die Ausformungen dieser Hirnregionen so wenig folgenlos geblieben sein wie die Armseligkeit dessen, was in diesen durchschnittlich 10 Minuten verbal ausgetauscht wird, folgenlos für die Herausbildung derjenigen Strukturen im Gehirn dieser nachwachsenden Generation bleiben wird, in denen das Bewusstsein strukturell verankert wird.
    Aus rein biologischer Sicht wäre es allerdings auch keine allzu bedenkliche Entwicklung, wenn den Menschen die Fähigkeit, sich ihrer selbst bewusst zu werden, ihre Handlungen bewusst zu planen und sich der Folgen ihrer Handlungen bewusst zu werden, allmählich (noch stärker) abhanden käme. Als biologischer Organismus muss ein Mensch nur das wahrnehmen und auf das reagieren, was für sein Überleben und gegebenenfalls auch für seine Reproduktion bedeutsam ist. Und was davon muss er sich bewusst machen? Nichts! Denn zum nackten Überleben und zur bloßen Fortpflanzung braucht ein Organismus kein Bewusstsein. Beides funktioniert nicht nur bei uns von allein – also gänzlich unbewusst –, sondern auch bei allen Tieren bis hinunter zu den Einzellern. Letztere benötigen dazu noch nicht einmal ein Nervensystem, die Schwämme und Medusen können das auch ohne Gehirn, und die Tiere ohne das, was wir Bewusstsein nennen. Auch beim Menschen wird alles, was im Organismus geschieht und was entweder der Lebenserhaltung oder der Reproduktion direkt dient, unbewusst gesteuert. Bewusstsein, so scheint es, ist ein Luxus, den sich nur ein menschliches Gehirn leisten kann. Für alles, was der Sicherung des eigenen Überlebens und der Reproduktion dient (und womit das Hirn tagein tagaus beschäftigt ist), braucht es kein Mensch.
    Vielleicht bedeutet Menschsein aber auch mehr, als nur lebendig und fortpflanzungsfähig zu sein. Wenn man das in Betracht zieht, wäre Bewusstsein, also auch die Bewusstwerdung eigener Handlungsantriebe, Bedürfnisse und Wünsche durchaus etwas Sinnvolles. Das geht dann allerdings weit über die Biologie hinaus.
    Die Fähigkeit, sich das, was man erlebt, auch bewusst zu machen, scheint also eine Leistung zu sein, die sich erst im Lauf sowohl der phylogenetischen wie auch der ontogenetischen Entwicklung des Menschen allmählich herausbildet. Es ist eine Fähigkeit, die das Gehirn erst dann entwickeln kann, wenn in den assoziativen Arealen bereits ein einigermaßen tragfähiges Fundament an Wissen und Erfahrungen verankert werden konnte und wenn sich die betreffende Person damit in der Welt einigermaßen angstfrei zu bewegen gelernt hat (dazu darf sich diese Welt aber auch nicht allzu schnell verändern). Bewusstsein wäre dann die wiederholt von einem Menschen gemachte und als innere Überzeugung verankerte Erfahrung, dass er in der Lage ist, seine Wahrnehmungen und Gedanken aus eigener Kraft und eigenem Antrieb so zu ordnen, dass sie in die Welt und zu der Welt, auch der Vorstellungswelt passen, in der er lebt. Da die Welt, in der Menschen leben, Erfahrungen machen und Wissen erwerben, in erster Linie und von Anbeginn eine Welt sozialer Beziehungen ist, ist davon auszugehen, dass es ohne Sozialisation kein Bewusstsein gibt, dass also unser Bewusstsein (wie auch unser hochentwickeltes Gehirn überhaupt) ein soziales Produkt ist. Deshalb ist Bewusstsein wohl auch etwas, was nur Menschen herausbilden können. Dazu müssen diese Menschen aber innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft aufwachsen, die ihnen die Möglichkeit bietet, sich als Urheber ihrer individuellen Vorstellungen und Handlungen zu verstehen.
    Damit sind wir bei der Frage angekommen, was den Menschen eigentlich zum Menschen macht. Und das ist wohl die spannendste Frage, die heute überhaupt gestellt werden kann und die wohl auch irgendwann beantwortet werden muss. Denn davon, wie diese Frage beantwortet wird, hängt schließlich der künftige Entwicklungsweg ab, den Menschen einschlagen, jeder für sich allein und wir alle gemeinsam. Der Verhaltensbiologe und Nobelpreisträger Konrad Lorenz hat uns

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