Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition)
bekommen, was wir haben wollten. Sogar als Schnäppchenjäger sind wir heute noch erfolgreich und mit viel Begeisterung unterwegs. Und unsere Kinder schicken wir noch immer mit der gleichen Begeisterung auf den gleichen Weg.
Wer immer wieder und über einen so langen Zeitraum als Ressourcenausnutzer erfolgreich unterwegs ist, macht über Generationen hinweg dann auch immer wieder die gleichen Erfahrungen, nämlich dass es so geht, dass es so sogar sehr gut geht, dass es keinen Grund gibt, darüber nachzudenken, ob es auch anders gehen könnte. Man nimmt sich, was man kriegen kann, und wer am schnellsten, am rücksichtslosten, am zielstrebigsten bei der Verfolgung seiner Interessen ist, gewinnt das Rennen. Wer in diesem Wettlauf nicht mithalten will oder kann, hat selbst Schuld. »We are the champions!«, und das bleiben wir auch, koste es, was es wolle. Das ist die vorherrschende Erfahrung, die die meisten Menschen in unserem Kulturkreis über viele Generationen hinweg gemacht haben. Daraus ist in jeder Generation immer wieder die gleiche Geisteshaltung, die gleiche Gesinnung im Frontalhirn herausgeformt und stabilisiert worden. Eben die Haltung eines Ressourcenausnutzers. Und weil das ja nicht nur in den Köpfen Einzelner geschah und weil diese Haltungen nicht nur das Denken, Fühlen und Handeln bestimmen, sondern auch die Beziehungen der Menschen untereinander, ist daraus eine Kultur geworden, eine Ressourcenausnutzerkultur. Und mit der haben wir nun ein Problem, denn man kann auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen nicht für alle Ewigkeit als Ressourcenausnutzer unterwegs sein. Das funktioniert umso weniger, je größer die Zahl derjenigen wird, die unser Erfolgsmodell übernommen haben und nun auch gern etwas von den noch vorhandenen Resten abbekämen.
Der Club of Rome hat das Dilemma, auf das wir uns zubewegen, »Grenzen des Wachstums« genannt. Man kann nicht immer weiter wachsen, wenn der Raum, in den hinein man sich ausbreitet, immer enger wird und wenn die für dieses Wachstum erforderlichen Substrate immer schlechter in ausreichender Menge und zur rechten Zeit verfügbar sind. Wir haben das noch nicht so recht verstanden, aber Heuschrecken, Lemminge und Feldmäuse kennen dieses Problem schon länger als wir. Solange alles passt, wächst ihre Population exponentiell, aber diese ungeheure Vermehrungsrate findet ihr rasches Ende, wenn es nicht mehr genug zu fressen gibt, es zu eng, zu stressig und deshalb zu ungesund wird, der Sex nicht mehr funktioniert und die Nachkommenschaft ausbleibt.
Von außen und vordergründig betrachtet, handelt es sich bei diesen Zyklen von Wachstum und Zusammenbruch um eine gigantische Ressourcenverschwendung. Erst wird alles kahl gefressen, und anschließend liegen massenhaft verwesende Leichname herum. Von innen und hintergründig betrachtet, offenbart sich hier ein geniales Entwicklungsprinzip, das die asiatischen Philosophen in das Bild der sich in den Schwanz beißenden Schlange gefasst haben: natürliche Zyklen von Wachstum und Schrumpfung laufen so lange immer wieder im Kreis ab, bis eine Lösung für dieses Dilemma gefunden wird.
Diese Lösung besteht allerdings nur vordergründig in der Weiterentwicklung des bisher bereits Entstandenen und Erreichten durch die »Erfindung« noch effizienterer Strategien zur noch besseren Ausnutzung der jeweils noch verfügbaren Ressourcen. Wie diese Strategien funktionieren, hat Charles Darwin in seiner Abstammungslehre herausgearbeitet, und diese Vorstellung ist dann auch in der westlichen Welt zur allgemeinen und einzigen Evolutionstheorie des Lebendigen erklärt und zur Grundlage unserer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung gemacht worden. Was diese Strategie aber tatsächlich hervorbringt, ist lediglich eine fortschreitende Differenzierung und Spezialisierung des jeweils bereits Vorhandenen, ist die fortschreitende Aufspaltung der Lebensbäume und die Erschließung neuer Ressourcen durch Besiedelung noch vorhandener ökologischer Nischen. Auf diese Weise werden die Zyklen von Wachstum und Schrumpfung möglicherweise verlangsamt, es können auch relativ stabile Gleichgewichte gefunden und vorübergehend kann so auch eine gewisse Kontrollierbarkeit dieser Zyklen erreicht werden. Aber diese Strategie der ewigen Verbesserung, der fortschreitenden Anpassung, der immer weitergehenden Spezialisierung und des sich ständig verschärfenden Wettbewerbs um begrenzte Ressourcen führt nicht zu einer wirklichen Weiterentwicklung im
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